Aus der FTD vom 18.9.2000
Software: Infomatec kann sich nur noch durch Verkauf von Unternehmensteilen finanzieren Von Gerhard Hegmann, München
Der am Neuen Markt notierte Hersteller von Internet-Software Infomatec will sich von großen Geschäftsbereichen und Tochterfirmen trennen. Infomatec benötigt die Mittel aus dem Verkauf, weil die Banken dem Unternehmen die Kredite und Darlehen gekündigt haben.
Das Augsburger Unternehmen war unter Druck geraten, weil es Pflichtveröffentlichungen über angebliche Großaufträge - unter anderem von Mobilcom - korrigieren musste. Am Freitag sicherte es kurz vor dem Abstieg in den geregelten Markt die Börsennotierung und präsentierte zwei Banken als Börsenbetreuer (Designated Sponsor).
Nach wie vor ermittelt die Staatsanwaltschaft und das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel wegen möglicher Verstöße gegen das Unternehmen. Infomatec drohte als erstem Unternehmen am Neuen Markt der Ausschluss aus diesem Börsensegment, weil die Westdeutsche Landesbank und Sal. Oppenheim ihre Betreuung zurückgezogen hatten. Neue Begleiter sind nun Lang & Schwarz Financial Services und die Future Securities.
Gründer machen Weg zum Neuanfang frei
Um den Weg für einen Neuanfang zu ebnen, kündigten die Unternehmensgründer Gerhard Harlos und Alexander Häfele an, bis spätestens zum Jahresende aus dem Vorstand auszuscheiden und nicht in den Aufsichtsrat zu wechseln. Auch der Vorsitz des Kontrollgremiums soll neu besetzt werden. Harlos und Häfele hatten sich dreimal von Infomatec-Aktien getrennt und halten jetzt noch jeweils gut 30 Prozent. Auf einer Pressekonferenz in München wiesen die Vorstände den Vorwurf des Insiderhandels zurück. Zur Firmenentwicklung sagte Harlos: "Wir waren mit unserer Technik der Zeit vielleicht immer etwas voraus." Es sei über die Börse nicht gelungen, genügend Kapital zur Expansion und für den Wettbewerb mit den Großkonzernen zu bekommen.
Infomatec will auch prüfen, ob rechtliche Schritte gegen Mobilcom möglich sind. Das Augsburger Unternehmen hatte 1999 in einer Ad-hoc-Mitteilung die Lieferung von 100.000 Internet-Surfstationen an Mobilcom angekündigt. Tatsächlich wurden aber nur 14.000 Stück abgenommen.
Tochter-Unternehmen macht zwei Drittel des Umsatzes
An diesem Wochenende gab es weitere Gespräche über neue Partner für Infomatec-Bereiche. Im Mittelpunkt steht dabei die Tochter Infomatec IAS mit rund 100 Beschäftigten. IAS steuerte im ersten Halbjahr zwei Drittel zum Gesamtumsatz von 28,6 Mio. Euro bei und ist auf Internet-Endgeräte und Software mit dem Betriebssystem Linux spezialisiert. Zur Unternehmensneuausrichtung werden 120 der rund 740 Arbeitsplätze abgebaut. Gespräche über eine Fusion oder einen Verkauf des Gesamtunternehmens gebe es nicht. Nach den Planungen erwarte Infomatec in diesem Jahr weiter rund 50 Mio. Euro Umsatz, 2001 rund 65 Mio. Euro und 2002 knapp 100 Mio. Euro. Der Betriebsverlust (Ebitda) wird mit rund 26 Mio. Euro veranschlagt.
Wie Finanzvorstand Karl Gruns sagte, haben die Banken die Kreditlinien von rund 3 Mio. Euro gekündigt und fordern die gesamten Darlehen über 13 Mio. Euro zurück. Dennoch verfüge das Unternehmen mit einem Wertpapierbesitz von 38 Mio. Euro über genügend finanzielle Mittel auch im ungünstigsten Fall. Bis Jahresende benötige die Infomatec rund 37 Mio. Euro. Dabei wird mit einem Verlust im operativen Bereich von 11 Mio. Euro gerechnet. Der Finanzchef hofft auf neue Investoren, sodass am Jahresende 10 bis 15 Mio. Euro liquide Mittel vorhanden sind.
Chinageschäft spielt Schlüsselrolle
Das Unternehmen hat mit über 39 Mio. Euro hohe Außenstände, verglichen mit dem Gesamtumsatz von 50,5 Mio. Euro im vergangenen Jahr. Von diesen Außenständen entfallen allein rund 10 Mio. Euro auf ein Software-Geschäft mit China, das nicht über Hermes abgesichert ist. Gruns räumte auf Nachfrage ein, dass dieses Chinageschäft eine Schlüsselrolle im Jahresabschluss 1999 spielte.
Für Verwirrung sorgte die Ankündigung von Infomatec auf der Pressekonferenz, dass mit der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SDK) eine Vereinbarung über ein unabhängiges Wirtschaftspüfergutachten getroffen wurde. Die SDK hatte gegen die beiden Vorstände Häfele und Harlos wegen des Verdachtes des Insiderhandels vor zwei Wochen Strafanzeige gestellt. Mit dem Gutachten sollte dieser Vorwurf widerlegt werden. Die SDK dementierte im Anschluss an die Pressekonferenz auf Anfrage die Vereinbarung. Wie ein Infomatec-Sprecher am Samstag auf Anfrage sagte, wird das Unternehmen jetzt auch ohne Vereinbarung mit der SDK ein Wirtschaftsprüfergutachten in Auftrag geben. Damit soll vor allem der Vorwurf widerlegt werden, dass der Vorstand durch bestimmte Ad-hoc-Mitteilungen die Anleger wissentlich getäuscht hat.
© 2000 Financial Times Deutschland
Gruß Dampf
|