Mit dem Segen der USAManöver und Militärhilfe: Georgiens Großangriff auf Südossetien mit Washington abgesprochen. In der UNO verhindert Botschafter Khalilzad eine Verurteilung der AggressionVon Knut Mellenthin Gemeinsame Übung: US-Brigadegeneral William Carrett (rechts) und Georgiens Präsident Michail Saakaschwili auf dem Stützpunkt Vaziani (21. Juli 2008)Foto: AP |
Hatte Georgiens Präsident Michail Saakaschwili »grünes Licht« aus Washington, als er in der Nacht zum Freitag seinen Streitkräften den Befehl zum Großangriff auf Südossetien gab? Die Antwort ist ein so selbstverständliches Ja, daß nur noch darüber diskutiert werden kann, warum die US-Regierung sich dieses Mal dafür entschieden hat, den bissigen Hund von der Leine zu lassen, nachdem sie ihn in der Vergangenheit immer wieder in riskanten Situationen zurückgehalten hatte.
Die Rückeroberung von Südossetien und Abchasien sei »das Ziel meines Lebens«, hatte der im November 2003 mit amerikanischer Hilfe an die Macht geputschte Saakaschwili schon bei seiner Amtseinführung als Präsident Ende Januar 2004 verkündet. »Wir werden unser Äußerstes tun, damit die nächsten Einführungsfeiern auch in Suchumi – der Hauptstadt Abchasiens – stattfinden können.« Das wäre normalerweise im Januar 2009 gewesen; allerdings gab es inzwischen eine vorgezogene Neuwahl. In seiner damaligen Einführungsrede beschwor Saakaschwili die Notwendigkeit, eine starke Armee aufzubauen, »um die Einheit Georgiens wiederherzustellen«. Am 25. Mai 2004 veranstaltete Georgien die größte Militärparade in der Geschichte des Landes, und Saakaschwili sprach: »Wenn man irgendeinen georgischen Soldaten fragt, warum er in den Streitkräften dient, dann wird jeder von ihnen antworten: ›Um Georgiens territoriale Integrität wiederherzustellen.‹«
Konnte das mißverstanden werden? Die georgische Führung ließ bald Taten folgen: Nach tagelangen militärischen Auseinandersetzungen in Südossetien stürmten in den frühen Morgenstunden des 19. August 2004 georgische Eliteeinheiten mehrere strategisch wichtige Hügel in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt Tschinwali. Alle kompetenten Beobachter waren sich einig, daß dies der Auftakt zum erwarteten Großangriff war. Jedoch, in einer überraschenden und offiziell nicht erklärten Wende der Ereignisse räumten die georgischen Soldaten wenige Stunden später die eroberten Stellungen. Die plausibelste Vermutung lautete damals, daß die US-Regierung durch ihren mächtigen Botschafter in Tbilissi interveniert hatte.
Das amerikanische Veto war es wahrscheinlich auch, das eine kriegerische Eskalation im September 2006 verhinderte. Damals hatte Verteidigungsminister Irakli Okruaschwili, ein nur bedingt zurechnungsfähiger Draufgänger, mit seinem Hubschrauber auf südossetischem Gebiet notlanden müssen, nachdem er zuvor eine halbe Stunde lang provozierend über Tschinwali gekreist war. »Jeder sollte verstehen, daß das Treiben dieser Banditen sehr bald beendet werden wird, ein für allemal«, drohte Okruaschwili anschließend und kündigte an, sich demnächst persönlich an die Spitze einer »Strafexpedition« zu stellen. Im Sommer 2007 prahlte er damit, seinen nächsten Neujahrssekt in südossetischen Hauptstadt zu trinken. Statt dessen fiel er bei Saakaschwili in Ungnade, saß vorübergehend sogar in einem georgischen Gefängnis und lebt nun in Frankreich im Exil.
Das erste Anzeichen, daß die georgische Führung jetzt den Segen Washingtons für ihre großangelegte Aggression gegen Südossetien hatte, war das Verhalten des US-Vertreters Zalmay Khalilzad – ehemals Amerikas Mann in Kabul – im UN-Sicherheitsrat: In der hastig einberufenen spätabendlichen Sondersitzung nach dem Beginn des georgischen Angriffs blockierte er jede gemeinsame Stellungnahme für den Verzicht auf militärische Gewalt. Bis heute ist aus Washington kein Wort der Kritik an Saakaschwilis Vorgehen zu vernehmen.
Aufmerksame Beobachter in Moskau hatten sich auf eine schlimme Entwicklung eingestellt, nachdem US-Außenministerin Condoleezza Rice bei ihrem Besuch in Tbilissi Anfang Juli demonstrativ mit Dimitri Sanakojew zusammengetroffen war, dem von der georgischen Führung eingesetzten »Präsidenten Südossetiens«. Bis dahin hatte zwischen USA und EU Einigkeit bestanden, diese für Provokationen und militärische Abenteuer aufgebaute Figur zu ignorieren.
Wenige Tage nach dem Besuch der Außenministerin, bei dem vermutlich auch über die bevorstehende Aggression gesprochen wurde, begannen im Übungsgelände um den Stützpunkt Vaziani bei Tbilissi gemeinsame Manöver unter dem Namen »Immediate Response« (Prompte Antwort), an denen sich neben 600 Georgiern und kleinen Offiziersgruppen aus der Ukraine, Aserbaidschan und Armenien als stärkstes Kontingent 1000 US-Soldaten verschiedener Waffengattungen beteiligten. Die Übungen dauerten vom 17. bis zum 31. Juli. Einen Tag nach ihrem Abschluß, in der Nacht vom 1. zum 2. August, begannen die georgischen Streitkräfte in der Umgebung von Tschinwali mit militärischen Provokationen.
Als Saakaschwili am Abend des 7.August den Befehl zum Großangriff gab, befanden sich immer noch Teile der zum Manöver eingeflogenen US-Truppen in Georgien, offenbar aber nicht mehr im Stützpunkt Vaziani, der von russischen Kampfflugzeugen angegriffen wurde.
Ebenfalls in Georgien: 127 US-amerikanische Militärausbilder, darunter 35 Angestellte privater »Sicherheitsfirmen«. Die US-Regierung hatte schon im April 2002, noch unter Saakaschwilis Vorgänger Eduard Schewardnadse, damit begonnen, Eliteeinheiten der georgischen Armee auszubilden und mit modernsten Waffen auszurüsten. Mit Gesamtkosten von 65 Millionen Dollar stellte dieses Programm damals ein in Art und Umfang absolut einmaliges Pilotprojekt auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion dar. Es endete offiziell im Jahr 2004, wurde aber unter anderen Titeln fortgesetzt. Hinzu kamen Ausbilder aus Großbritannien und eine unbekannte Zahl von Militärs und »Sicherheitsberatern« aus Israel. http://www.jungewelt.de/2008/08-11/019.php
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