Wer reibt sich schon die Hände in Vorfreude der Zeit nach dem PDS-Absturz??
Jetzt wackelt auch Platzecks Wahlkreis Forsa-Umfrage sieht PDS auf dem Höhenflug / Zahl der SPD-Direktmandate könnte sich halbieren Andrea Beyerlein
POTSDAM. Die Potsdamer Neubaugebiete gelten als rote Hochburg. Vor fünf Jahren holte der stellvertretende CDU-Landeschef Sven Petke dort gerade 17 Prozent. Heute erwartet nicht einmal die eigene Partei von dem Hartliner, der immerhin zweiter Mann hinter Jörg Schönbohm ist, dass er seinen Wahlkreis gewinnt. Denn dort, im Wahlkreis 22, wird am 19. September das spannendste Kopf-an-Kopf-Rennen der Landtagswahlen erwartet: Es ist der Wahlkreis von Matthias Platzeck. Und jede neue Umfrage nährt in der SPD die Angst, ihr populärer Ministerpräsident könnte gegen den landesweit kaum bekannten Diplomstaatswissenschaftler Hans-Jürgen Scharfenberg von der PDS unterliegen.
Und mittlerweile sind die Werte für die PDS in Brandenburg auf Schwindel erregende 36 Prozent geklettert. Das hat das Institut Forsa im Auftrag des "Stern" diese Woche ermittelt. Selbst den Post-Sozialisten ist dieser Höhenflug nicht mehr ganz geheuer. Noch im Frühjahr hatten sie sich gut 20 Prozent als Wahlziel gesetzt. "Wir nehmen das mit Respekt zur Kenntnis", sagt Parteichef Ralf Christoffers mit ernstem Gesicht.
Nach der neuen Umfrage wäre zwar noch immer die Fortsetzung der großen Koalition unter Führung Platzecks wahrscheinlich. Allerdings kommen SPD (27 Prozent) und CDU (22) gemeinsam nur noch auf 49 Prozent. Sollte sich der Abwärtstrend vor allem der Union weiter fortsetzen, dann könnte die SPD in eine PDS-geführte Regierung gezwungen werden - mit unkalkulierbaren Folgen. Für sich persönlich hat zumindest Platzeck schon klargestellt, dass er dann nicht zur Verfügung stünde.
Der politische Erdrutsch, der sich derzeit für den 19. September in Brandenburg anbahnt, wird auch die Verhältnisse in den 44 Wahlkreisen gründlich durcheinander wirbeln. Die Zeiten, in denen sich die Sozialdemokraten aller Direktmandate sicher sein konnten, waren zwar schon 1999 vorbei. Trotz des Verlustes der absoluten Mehrheit rückte die SPD aber immer noch mit 37 direkt gewählten Abgeordneten in den Landtag ein. Die PDS gewann fünf, die Union zwei Direktmandate.
Doch uneinnehmbare Hochburgen gibt es nicht mehr. Jedenfalls nicht für die SPD. Stimmenfänger wie einst Manfred Stolpe, Regine Hildebrandt, die Ex-Minister für Landwirtschaft, Edwin Zimmermann, und Verkehr, Hartmut Meyer, treten nicht mehr an. Mittlerweile wären die Parteistrategen schon froh, wenn sie wenigstens 20 Wahlkreise halten könnten - allen voran den symbolträchtigen 22er von ihrem Hoffnungsträger Platzeck.
Doch Scharfenberg hat die SPD schon öfter das Fürchten gelehrt. Zum bislang letzten Mal, als es nach Platzecks Aufstieg zum Regierungschef um dessen Nachfolge als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt ging. Nur ganz knapp - mit einem Abstand von 122 Stimmen - unterlag der langjährige PDS-Stadtfraktionschef vor zwei Jahren dem SPD-Mann Jann Jacobs. Im Potsdamer Osten hat er zudem einen Heimvorteil. Er lebt auch dort, wo er antritt. Und schon bei der Wahl von 1999 ging der Wahlkreis an PDS-Chef Lothar Bisky.
Ihn zurückzuerobern, das traute die SPD schon in besseren Zeiten nur Matthias Platzeck zu, der seit Jahrzehnten in Babelsberg wohnt. Nun aber droht ihr angesichts dieser Taktik gerade in der Landeshauptstadt eine doppelte Schlappe. Im eher bürgerlichen Potsdam - Babelsberg und die Innenstadt - schickt die SPD die Nachwuchspolitikerin Klara Geywitz ins Rennen. Damit kann nun erstmals auch die PDS-Abgeordnete Anita Tack auf ein Potsdamer Direktmandat hoffen.
Zwar hat sich die PDS fast bescheiden zum Ziel gesetzt, vor allem ihre jetzigen fünf Wahlkreise verteidigen zu wollen. Einen davon gewann 1999 Spitzenkandidatin Dagmar Enkelmann im Barnim. Doch mittlerweile gilt der Durchmarsch der Sozialisten in mehr als einem Dutzend Kreisen als wahrscheinlich. Das könnte auch Platzecks Vize Gunter Fritsch, SPD-Fraktionschef im Landtag, treffen. In seinem Wahlkreis Märkisch-Oderland etwa wird der PDS-Kreistagspräsident Wolfgang Heinze als Favorit gehandelt.
In der CDU mag sich mittlerweile niemand mehr auf ein Ziel festlegen. Immerhin könnte Parteichef Jörg Schönbohm zum ersten Mal seinen Wahlkreis in Kleinmachnow, Teltow, Stahnsdorf direkt holen gegen den SPD-Neuling Jens Klocksin. Vor allem aber ruht die Hoffnung der Union auf dem schwarzen Süden. In Oberspreewald-Lausitz, wo der jungen Ingo Senftleben 1999 direkt gewann, sorgt jedoch auch die SPD-Frau Esther Schröder mit aktiver Hartz-IV-Beratung für große Aufmerksamkeit - sie hat erst Anfang des Jahres die PDS verlassen.
K
|