ist man zu allem bereit! Gestern Vermögensteuer, heute vorgezogene Senkung des Spitzensteuersatzes - und das mitten im Steuerjahr! Wers glaubt wird seelig!
Gabriel: Steuerreform auf 1. Juli vorziehen
Gabriel will gemischtes Sozialsystem aus Steuern und Beiträgen
Der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel will die wegen der Flutkatastrophe auf 2004 verschobene Steuerreform auf den 1. Juli dieses Jahres vorziehen, um die lahmende Konjunktur in Deutschland in Gang zu setzen. In einem Interview mit dem stern sagte der SPD-Politiker, der sich am 2. Februar Landtagswahlen stellen muss: Wir sollten im März eine ehrliche Schlussabrechnung über die Kosten der Flutkatastrophe vorlegen. Wenn sie wesentlich weniger kostet, als wir gedacht haben was ich vermute , sollten wir die auf 2004 verschobene Steuerreform sofort auf den 1. Juli vorziehen. Angesichts der wirtschaftlichen Lage dürfe der Staat die Sparschraube nicht derart anziehen. Das Drei-Prozent-Kriterium von Maastricht für die Staatsverschuldung dürfe dabei nicht immer im Weg stehen. Wenn sogar der Präsident der EU-Kommission anbiete, darüber zu reden, solle man darauf auch eingehen. Gabriel fügte hinzu: Wenn sich dann auch noch die SPD-Bundestagsfraktion vornimmt, 100 Gesetze aufzuheben und das Land zu entbürokratisieren, dann wäre das ein psychologischer Aufbruch für unser Land.
Gabriel plädierte zugleich für den Übergang zu einem auch aus Steuern finanzierten Sozialsystem. Ich bin für ein Mischsystem aus Beiträgen, Steuern und Eigenverantwortung, sagte er dem stern. Bis zum Sommer sollten die Grundlinien dieser Reform klar sein. Die Politik müsse dafür die Leitplanken setzen. Die paritätische Finanzierung der Sozialsysteme aus Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern habe ihre Grenzen erreicht, weil die Arbeit sonst zu teuer werde. Deshalb müsse man Schritt für Schritt davon wegkommen. Wenn die Renten- und Krankenversicherung teilweise mit Steuern bezahlt werde, müssten aber die Beiträge deutlich sinken, damit die Leute netto mehr in der Tasche haben. Auf die Frage, ob er sich eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu diesem Zweck vorstellen könne, antwortete Gabriel: Da sind mir Tabak- und Alkoholsteuern viel sympathischer. Vorausgehen müssten dieser Umstellung jedoch wichtige strukturelle Veränderungen im Gesundheitssystem. Gabriel plädierte unter anderem für einen Eigenbeitrag der Patienten von wenigen Euro bei jedem Arztbesuch, direkte Verträge zwischen Krankenkassen und Ärzten unter Umgehung der Kassenärztlichen Vereinigungen, ein Bonussystem bei den Beiträgen, das Vorbeugung und gesundes Leben belohnen müsse, sowie die Freigabe von Wettbewerb und Werbung für Ärzte und Krankenhäuser.
Den Übergang zu einer Grundversorgung lehnte der SPD-Politiker jedoch ab: Das Versprechen des Sozialstaats, dass jedem die medizinische Versorgung zuteil werde, die er brauche, müsse auch in Zukunft gelten. Auch eine Heraufsetzung des Rentenalters verwarf Gabriel kündigte in dem stern-Gespräch zugleich an, dass er nach einer gewonnenen Landtagswahl auf dem SPD-Bundesparteitag im November sowohl für das Amt eines stellvertretenden Parteivorsitzenden als auch für den Vorsitz der SPD-Programmkommission kandidieren will. Beide Ämter werden derzeit vom früheren Verteidigungsminister Rudolf Scharping gehalten. Es sei an der Zeit, dass in der SPD die Generation der 30- bis 50jährigen die programmatische Diskussion stärker bestimme, sagte Gabriel. Er fügte hinzu: Bei allem Respekt und den Leistungen der 68er Generation: Die werden jetzt in absehbarer Zeit 68. Schon im Frühjahr solle die SPD im Übrigen eine Gruppe ihrer Programmkommission mit der Ausarbeitung eines eigenen Konzepts für die Sozialreformen beauftragen, über das dann der Parteitag im November beschließen müsse. Bei dieser Arbeit wolle er selbst eine aktive Rolle übernehmen.
Quelle: Stern
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