Immer mehr Leistungsträger verlassen Deutschland. Jetzt schlagen Politiker Alarm
Hamburg ? Fast 150 000 Deutsche packten im vergangenen Jahr die Koffer und gingen ins Ausland. Führende Vertreter von Politik und Wirtschaft schlagen jetzt Alarm!
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zu BILD am SONNTAG: ?Während in den letzten Jahren viel darüber geschrieben und gestritten worden ist, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, hat sich im Windschatten fast unbemerkt eine ganz andere erschreckende Entwicklung vollzogen: Deutschland wird zum Auswanderungsland!?
Bei den Auswanderern, so der Regierungschef, handele es sich in erster Linie nicht um Wohlstandsrentner oder Aussteiger, sondern um ?Menschen, die Leistungsträger in unserer Gesellschaft werden könnten und müßten: Wissenschaftler, Handwerker, Ingenieure?.
Ähnlich Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU):
?Im letzten Jahr sind so viele Deutsche ausgewandert wie seit 1954 nicht mehr. Wissenschaftler, Handwerker, Existenzgründer, Architekten und Ingenieure sehen woanders bessere Chancen. Diesen Trend müssen wir stoppen.?
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) warnt: ?Deutschland darf kein Auswanderungsland für unsere wissenschaftlichen Eliten werden. Wir müssen fit bleiben im weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe.?
Seit 1820 haben immer wieder Menschen unser Land verlassen, vor allem in Richtung USA. Aber in dieser Zeit gab es nur vier Jahre, in denen mehr Menschen auswanderten als gegenwärtig.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts stieg 2005 die Zahl der deutschen Auswanderer auf 144 814. Ihnen standen 128 052 Einwanderer gegenüber. Zum ersten Mal seit Ende der 60er Jahre sind damit mehr Deutsche fortgezogen als zugezogen. Das Bundesland mit den meisten Auswanderern war Hessen.
Ministerpräsident Koch erhebt drei Forderungen: ?Wir brauchen mehr Freiheit an den Hochschulen, damit Wissenschaftler sich entfalten und ihr Wissen nutzbar machen können. Wir brauchen kürzere Planungszeiten, schnellere Genehmigungsverfahren und weniger Gängelung. Vor allem aber brauchen wir eine stärkere Offenheit, eine positive gesellschaftliche Grundeinstellung zu modernen Technologien, die nirgendwo in der Welt auf soviel Skepsis und Ablehnung stoßen wie bei uns.?
Forschungsministerin Schavan verlangt: ?Deutschland muß wieder eine Talentschmiede werden. Wir brauchen eine Stimmung des Aufbruchs und des Wagemuts und vor allem ein Klima des Respekts vor neuen zündenden Ideen.? Sie kündigt an: ?Wir werden Bürokratie abbauen, das Arbeitsrecht an Hochschulen verbessern und Existenzgründungen erleichtern.?
Massiver Druck kommt aus der Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt zu BamS: ?Wir müssen alles daran setzen, die Abwanderung zu begrenzen und Hoffnungsträger im Land zu halten. Dazu müssen wir dem Nachwuchs attraktive Bedingungen in der Wissenschaft und auf dem Arbeitsmarkt bieten. Exzellente Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind dafür genauso notwendig wie eine generelle Stärkung des Standorts Deutschland.?
Industrie-Präsident Jürgen R. Thumann fordert: ?Wenn wir hochqualifizierte Menschen im Land halten wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen entsprechend ändern. Dazu gehören neben dem Abbau von bürokratischen Hürden bei der Unternehmensgründung auch attraktivere Steuersätze, niedrigere Sozialabgaben und ein günstiges soziales Umfeld, von der Kinderbetreuung über die Schulen bis zu den Universitäten.?
BamS
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