Nordkoreas Propaganda-Maschine läuft auf vollen Touren. Das Regime in Pjöngjang schürt in der eigenen Bevölkerung die Angst vor einem Angriff der USA, nachdem die Führung unter Kim Jong Il zugegeben hatte, Atomwaffen zu besitzen. Der lässt sich als "vom Himmel gesandter Kommandant" und "berühmteste Person der Welt" huldigen.
Peking - Ein zweiter Koreakrieg könne "jeden Moment ausbrechen", meldete kürzlich die Zeitung "Nodong Sinmun". Um die Volksrepublik "zu vernichten, mobilisieren die USA mit jedem Tag heimtückischer ihren Kriegsapparat", warnte ein anderes Parteiblatt. In dieser Atmosphäre verkündete Pjöngjangs Außenministerium am Donnerstag, Nordkorea werde auf "unbestimmte Zeit" nicht mehr an den Pekinger Sechser-Gesprächen über sein Atomwaffen-Programm teilnehmen.
Die kriegerische Rhetorik hat gute Gründe: Indem es ständig die Kriegsgefahr beschwört, kann das Regime von Kim Jong Il von der Tatsache ablenken, dass es das Land nahezu komplett heruntergewirtschaftet hat - und ein Aufschwung nicht in Sicht ist.
Nervenzentrum der Revolution
Gleichzeitig läuft der Personenkult ungebrochen weiter: Am 16. Februar feiert Regierungschef Kim Jong Il Geburtstag und die Propagandamaschinerie überhäuft die darbenden Nordkoreaner wieder einmal mit Superlativen über ihren "vom Himmel gesandten brillanten Kommandanten". Sein Chef sei "ein großer Führer", der das "neue Jahrhundert steuert" und die "berühmteste Person der Welt", schwärmte Jo Myong-rok, oberster Politkommissar der Koreanischen Volksarmee.
Der "große Genosse", jubelte Premierminister Pak Pong-ju Anfang Februar, "ist das Schicksal unserer Partei, unserer Armee, unseres Volkes. Er ist das oberste Nervenzentrum unserer Revolution und das Symbol unserer Unbesiegbarkeit". Diesem "unvergleichlichen Meister-Staatsmann und würdigen Kommandeur" sollten alle "absolut und mit einem Herzen glauben und sich um ihn "vereinigen, vereinigen - und noch ein bisschen mehr vereinigen".
Der Regent selbst scheint von den Lobpreisungen unberührt und tut, was er offenkundig am liebsten macht: Er gibt seinen Untertanen Ad-Hoc-Belehrungen und besucht Fabriken und Armee-Einheiten. Etwa eine Untergruppe der Einheit 347, bei der er sich davon überzeugt, dass sein Programm "Einer kann es mit 100 Kriegern aufnehmen" in die Tat umgesetzt wird. In der Einheit 920 schenkt er den Soldaten zum Andenken ein Fernglas und ein automatisches Gewehr, in der Einheit 966 lobt er deren Schweinezucht.
Das Militär kommt zuerst - das Volk hungert
Nur wer in dem Propagandawirbel genau hinhört, kann Hinweise auf die Nöte der Menschen entdecken: In seiner Lobeshymne schwadroniert Premier Pak zwar von "unzähligen in allen Ecken und Enden des Landes neu erbauten modernen Fabriken und Unternehmen", erwähnt aber auch das "zermürbende Nahrungsmittelproblem", dem allerdings mit den - selbstverständlich von Kim Jong-il erdachten - Anleitungen zur "Kartoffelpflanz-Revolution" und zur "doppelten Ernte" beizukommen sei.
Die Lage scheint nach der großen Hungersnot Mitte der neunziger Jahre noch immer fatal: Jeder Bürger erhält vom staatlichen Versorgungssystem - wenn überhaupt - seit kurzem nur noch 250 Gramm anstatt 500 Gramm Getreide am Tag. Den Rest müssen sich die Nordkoreaner selbst dazu kaufen - auf freien Märkten, die Pjöngjang trotz großer ideologischer Bauchgrimmen inzwischen erlaubt.
Dort können die Bürger Fleisch, Eier, Nudeln, Reis und sogar aus China importierte Ananas erwerben - allerdings zu Preisen, die sich nur Funktionäre und Glückliche mit Kontakten zur nordkoreanischen Exilgemeinde in Japan leisten können. So leiden derzeit weniger die Bauern als die Arbeiter der stillgelegten und oft zahlungsunfähigen Fabriken in den maroden Industriezonen Nordkoreas.
Wichtiger aber als die existenziellen Sorgen der Bevölkerung ist den Regenten die zur Staatsideologie hochstilisierten "Songun"-Kampagne: die "Das Militär kommt zuerst Revolution". Hinter dem blumigen Titel verbirgt sich eine simple Devise: Weil die "imperialistischen USA" Nordkorea mit Krieg überziehen wollen, muss der ganze Staat militärisch organisiert sein. Die Armee, so die Quintessenz, ist deshalb die wichtigste Institution im Staat, die bevorzugt Nachschub an Geld, Rohstoffen und Lebensmitteln empfängt, damit die Soldaten zu jenen "heißblütigen und unbesiegbaren Kriegern" gedeihen, die notfalls ganz Amerika in einem "Meer von Flammen" vernichten werden.
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