Kickerpsychologie
Überfordert vom Drall des Balls
© Shaun Botterill/Getty Images Brasiliens Starkicker Roberto Carlos inspirierte die Forscher zu ihrer Studie
Vielleicht sollte Klinsi mit der deutschen Elf mit Effet geschossene Bälle trainieren lassen. Denn die sind offenbar unhaltbar: Forscher haben nachgewiesen, dass der Spin des Balles selbst das Hirn erfahrener Kicker überfordert.
35 Meter betrug die Entfernung zum Tor. Der Brasilianer Roberto Carlos lief an zum Freistoß und schoss; der Ball flog rechts an der Mauer der Abwehr vorbei, schien weit, weit am Tor vorbeizusegeln. Völlig überraschend änderte der Ball plötzlich seine Flugrichtung und schlug neben dem verdutzten Torwart Fabien Barthez im Tor ein. Ein Freistoß, der scheinbar allen Regeln der Wissenschaft widersprach.
Es war Roberto Carlos' Wundertor 1997 beim Tournoi de France, das die Psychologin Cathy Craig von der Queen's Universität in Belfast zu ihrer Studie über die Flugbahn von Bällen und die menschliche Wahrnehmung inspirierte. Sie und ihre Kollegen zeigten Fußballprofis virtuelle Freistöße am Computer. Und tatsächlich: Hatte der Ball einen Seitwärtsdrall, so konnten die Spieler nicht mehr zuverlässig vorhersagen, ob das Leder im Tor landen oder es verfehlen würde. Über die Arbeit berichtet das Wissenschaftsmagazin "New Scientist".
Magnus-Effekt bringt Bälle vom Kurs ab Angeschnittene Bälle fliegen nicht schnurstracks geradeaus; sie werden seitlich von ihrer Flugbahn abgelenkt. Dahinter steckt ein physikalisches Phänomen namens Magnus-Effekt: Wenn eine Kugel sich um die eigene Achse dreht und dabei von Luft umströmt wird, wirkt auf sie eine seitwärts gerichtete Kraft.
Cathy Craig und ihre Kollegen untersuchten nun, wie Menschen eine solche gekrümmte Flugroute wahrnehmen. Sie ließen die Kicker ihre Augen auf die Mitte des virtuellen Tors fixieren und jeweils vorhersagen, ob der computersimulierte Freistoß ein Treffer sein würde. Bei Schüssen mit Spin scheiterten selbst professionelle Spieler an der korrekten Torprognose, während sie sich bei geradeaus fliegendem Ball wesentlich leichter taten.
Unnatürlich und uns deshalb fremd Die menschliche Wahrnehmung sei nicht dafür ausgelegt, die Bewegung eines schnell rotierenden Balls richtig zu erkennen, erklären die Forscher dieses Ergebnis. Objekte wie fliegende Bälle kämen in der Natur nicht vor, und daher hätte der Mensch im Laufe der Evolution auch keine visuelle Wahrnehmung dafür entwickeln können. Im Gegensatz dazu könnten Menschen sehr wohl den Einfluss der Schwerkraft auf Bewegungen einschätzen, was evolutionär wichtig gewesen sei. aun/DDP
Artikel vom 02. März 2006
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