https://www.berliner-zeitung.de/...e-nach-lehman-peite-2008-li.330721
Die Zinsrally der Zentralbanken fordert ihre ersten Opfer. Die Federal Reserve und die Europäische Zentralbank (EZB) halten trotz Wirtschaftsflaute und Bankencrash unbeirrt an Zinserhöhungen fest, obwohl diese kein besonders zielgenaues Instrument gegen die aktuelle Inflation bei Energie- und Nahrungsmitteln sind und hierzulande die Immobilienfinanzierung der Mittelschicht treffen. Dies könnte fatale Konsequenzen haben.
In den USA gingen die Krypto- und Techbanken namens Silicon Valley und Signature Bank pleite. Die Regionalbank First Republic wurde von einem Konsortium von Großbanken gestützt. In Europa brach hingegen der Aktienkurs der skandalgeplagten Schweizer Credit Suisse innerhalb kürzester Zeit um 30 Prozent ein. Und dies nur, weil der Chairman der Saudi National Bank, Ammar Abdul Wahed Al Khudairy, beiläufig bemerkte, man könne der Schweizer Bank aus regulatorischen Gründen kein frisches Kapital nachschießen, sonst würde die Schwelle von zehn Prozent Besitz an der Bank durch die Öl-Scheichs überschritten werden. Dies reichte, um das einst stolze Bankhaus mit einer Nahtoderfahrung zu segnen... Nun soll die Schweizer Großbank UBS die Credit Suisse für 3 Milliarden Franken schlucken. Dies wird die Konzentration des Bankensektors weiter erhöhen. Dabei sichern die Eidgenossen den Deal über eine öffentliche Garantie von 9 Milliarden und Liquiditätshilfen der Schweizer Notenbank von 100 Milliarden Schweizer Franken ab. Verstaatlichung und strikte Regulierung der Bank wären da billiger. Es steht jedoch zu vermuten, dass die Bank mit ihren umstrittenen Geschäften über einige faule Äpfel in der Bilanz verfügt, die nationale Sicherheitsinteressen der Eidgenossen berühren. Man hat daher einen Gebrauchtwagen mit Leichen im Kofferraum entsorgt.
Durch die Zinserhöhungen der Zentralbanken wurden Staatsanleihen gegenüber anderen Investments weniger attraktiv und die Kurse der Papiere sanken.Damit schrumpften die Vermögenswerte der SVB, die auf ein aktives Risikomanagement verzichtet hatte. Das Problem mit den ?Langläufern? betrifft zunächst alle Banken, die ähnlich investiert sind. In den USA wird der Umfang bislang nichtrealisierter Verluste in den Büchern der Banken auf 620 Milliarden Dollar geschätzt. In Deutschland mussten die Sparkassen vergangenes Jahr fast 8 Milliarden Euro solcher Verluste bilanzieren.
Ein Abzug von Kundengeldern setzt die Profite der Banken unter Druck, da sie sich Geld auf dem Interbankenmarkt leihen müssen, wenn sie mehr Abflüsse als Zuflüsse von anderen Banken haben. Es ist aber teurer, sich Geld bei anderen Banken zu leihen, als über Kundeneinlagen einzuwerben. Wenn eine Bank kein Geld mehr auf dem Interbankenmarkt bekommt, weil ihr andere Banken misstrauen, muss sie sich an die Zentralbank wenden. Und wenn die Verbindlichkeiten der Bank die Forderungen übersteigen, muss das Eigenkapital herhalten, das von den Aktionären der Bank und aus den einbehaltenen Gewinnen stammt. Wenn sich die Bank aber erst mal auf der Rutschbahn ins Tal befindet, ist auch das Eigenkapital schnell aufgezehrt.
Der Finanzmarkt testet daher derzeit die unsicheren Kantonisten in der Bankenwelt. Der Fokus liegt in den USA auch daher auf Tech- und Regionalbanken, weil diese unter dem Einfluss der Bankenlobby von den Stresstests für Banken ausgenommen wurden. ..... Die amerikanische Zentralbank (FED) hat in den vergangenen Tagen zu aggressiven Maßnahmen gegriffen, die vieles in den Schatten stellen, was in der Finanzkrise 2008 noch Common Sense war. So übertraf nicht nur der Umfang der Notfallkredite der Zentralbank den Umfang solcher Kredite während der Lehman-Pleite von 2008. Wichtiger noch: Die Zentralbank hat Banken einjährige Kredite angeboten, die sie sich durch die Hinterlegung von Wertpapieren bei der Zentralbank besorgen können. Das Besondere daran: Dies soll ohne Abschläge oder Wertverlust erfolgen. Die amerikanische Zentralbank verzichtet auf diesen ?Strafzins?, und Banken können sich so der Verluste bei der Zentralbank entledigen. Das hat Vorteile: Denn eine Zentralbank kann theoretisch sogar Bürostühle in die Bilanz nehmen, da sie in eigener Währung nie bankrottgehen kann und sogar negatives Eigenkapital verkraftet. Natürlich hat dies auch Kosten: So schütten die Zentralbanken geringere Notenbankgewinne an den Staat aus.
Die FED und die EZB halten derweil an Zinserhöhungen fest, unter denen die Wirtschaft ächzt. Die EZB dürfte auch daher so unbeirrt an der Zinsschraube drehen, weil die Banken durch den hohen Einlagezins, zu dem sie Guthaben bei der EZB parken können, und die niedrigen Zinsen, die sie Kunden bieten, hohe Gewinne erzielen und sich Fettpolster anlegen.
Ein Problem bei der europäischen Einlagensicherung ist, dass die deutschen Sparkassen- und Genossenschaftsbanken zu Recht darauf verweisen, dass sie über eine eigene Institutssicherung verfügen und nicht für die riskanteren Geschäftsmodelle von Deutsche Bank und anderen haften wollen. Wir brauchen daher eine europäische Einlagensicherung für Banken mit einem ähnlichen Risikoprofil. Hinzu kommt, dass die Finanzlobby viele Reformen wie strengere Eigenkapitalanforderungen und die Trennung zwischen Investmentbanking und Kredit- sowie Einlagengeschäft sabotiert hat. Die EU-Kommission hat erst kürzlich beschlossen, die internationalen Eigenkapitalstandards (Basel III) zu unterschreiten. Europäische Banken müssen weniger Kapital vorhalten als amerikanische.
Es zeichnet sich damit eine fatale Politik ab: Die Zentralbanken versuchen über Zinserhöhungen und somit Aufwertung ihrer Währungen die Inflation ins Ausland zu exportieren. Das ist so, als würde man dem Nachbarn den eigenen Müll vor die Haustür stellen. Eine harte Rezession, Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit werden dabei in Kauf genommen, obwohl die gegenwärtige Inflation nichts mit einer überhitzten Nachfrage oder mächtigen Gewerkschaften mit hohen Lohnforderungen zu tun hat. Wir haben vielmehr eine Profit- und Angebotsinflation, die zumindest in Europa neben dem Ukrainekrieg auch eine Nachwehe der Corona-Pandemie und der Zerrüttung von Wertschöpfungsketten ist.
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