"Fragwürdige Studie: Darum könnte die Netzagentur zum Umdenken gezwungen werden.
Frequenzverlängerung ? und sonst nichts? Die drei großen Netzbetreiber marschieren bei der Bundesnetzagentur durch, die ist weniger verbraucherfreundlich als erwartet. Die neue Vizepräsidentin kommt vielleicht zu spät.
Diese Beiratssitzung der Bundesnetzagentur könnte hitzig werden: Neben Politikern aus Bundestag und Bundesrat sind an diesem Montag in Berlin auch Vertreter der Kartellbehörde und der Monopolkommission geladen. Es geht darum, wie lebendig sich der Wettbewerb in der deutschen Mobilfunklandschaft gestaltet. Und wie viel regulatorische Hilfe es für kleinere Anbieter gibt.
Eine von der Bundesnetzagentur in Auftrag gegebene Studie zur Wettbewerbsförderung der Beratungsunternehmen WIK-Consult und Ernst & Young beurteilt die Konkurrenz auf dem Mobilfunkmarkt als sehr gesund ? eine wichtige Voraussetzung für die sich in der Zielgeraden befindliche Entscheidung zu den wichtigen 800-Frequenzen, über die weite Teile des Mobilfunks in Deutschland laufen.
So bahnt sich an, dass die drei großen Netzbetreiber Deutsche Telekom, Telefonica und Vodafone all ihre Wünsche von der BNetzA erfüllt bekommen: Eine Frequenzverlängerung um fünf oder vielleicht sogar um acht Jahre ohne neuerliche Zahlungen oder gar andere Auflagen. Anfangs hatte die BNetzA sogar noch ein kompliziertes Tauschmodell erwogen, dass weniger wichtige 900er-Frequenzen vorgezogen versteigert würden, um auch den neuen, vierten Netzbetreiber 1&1 mit Mittelstrecken-Frequenzen berücksichtigen zu können.
Auch eine Diensteanbieterverpflichtung, die die Netzbetreiber zwingen würde, virtuellen Anbietern wie Freenet, AldiTalk oder Ayyildiz, die keine eigenen Netze betreiben, einen Zugang zu regulierten Großhandelspreisen zur Verfügung zu stellen, scheint vom Tisch. Dabei würde ein fairer Zugang zum Mobilfunkmarkt auch neuen Glasfaser-Anbietern helfen, attraktive Bündelangebote für Festnetz und Mobilfunk zu machen. Doch jetzt droht Kritik an der Studie die komplette Sitzung zu dominieren. Das könnte die BNetzA zum Umdenken zwingen.
Als mit Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller, den die Grünen nominierten, ein Verbraucherschützer als Chefaufseher für die Telekommunikations- und Energienetze bestellt wurde, erwarteten viele eine volksnahe Politik, die sich in der Tasche des kleinen Mannes mit niedrigeren Preisen bezahlt machen könnte ? das ist die Klientel der Diensteanbieter. Doch der Ukraine-Krieg mit dem Ende der Energieversorgung aus Russland machte Müller zum Krisenmanager, der in Deutschland Licht, Heizungen und Schornsteine am Laufen hielt. Die Telekommunikationsregulierung kam dabei zu kurz.
Die Frequenzvergabe wird als letzte Entscheidung des sich zur Ruhe setzenden Vizepräsidenten Wilhelm Eschweiler im April erwartet ? ein langatmiger Prozess, der vier Jahre und vier Konsultationsrunden mit der Branche andauerte. Der Beirat wird auch über die Berufung der von der SPD vorgeschlagenen parteiunabhängige Daniela Brönstrup zur Vizepräsidentin entscheiden. Die frühere Journalistin und Telekommunikationsexpertin, die aktuell als Abteilungsleiterin für Digitalisierung in Robert Habecks Wirtschaftsministerium dient, kommt aber zu spät, um die in der Endphase befindliche Frequenzvergabe noch zu beeinflussen.
Vielleicht kommen die großen Netzbetreiber zu leicht davon. Ihre Argumentation, es brauche starke und wenig von Abgaben belastete Mobilfunknetzbetreiber, hatte sich bei der Bundesnetzagentur in den vergangenen Dekade immer mehr verfangen.
Fürsprecher Ralph Dommermuth wechselte das Lager
Dem Wettbewerb fehlt plötzlich die laute Stimme: Für eine Diensteanbieterverpflichtung war eigentlich Ralph Dommermuth mit 1&1 als größtem virtuellen Diensteanbieter die treibende Kraft. Seit Dezember aber firmiert er selbst im Lager der Netzbetreiber. Sein Netz allerdings ist winzig ? es deckt nur 0,2 Prozent der deutschen Fläche ab. Mit bislang nur 100 statt der geforderten 1000 Antennenstandorten riss er nicht nur die Ausbauauflagen aus der 5G-Frequenzauktion. Auch der Erfüllung der Auflagen für die Zahlungsstundung der fälligen Milliarde kam er nicht nahe. Da galt es 400 weiße Löcher zu flicken, gerade einmal 40 schaffte Dommermuth.
So diskreditierte er sich selbst: Ihm noch mehr Spektrum zu verkaufen oder zuzuteilen, würde höchstwahrscheinlich bedeuten, dass auch dies nicht effizient bewirtschaftet würde. Dass er bei Vodafone einen besseren Vertrag für das 5G-Roaming seiner 12 Millionen Kunden fand, fällt der Argumentation für eine Diensteanbieterverpflichtung in den Rücken. Selbst Telefónica, die er im Laufe der kommenden zwei Jahre verlässt, gab ihm noch eine 5G-Roaming-Vereinbarung. Offenbar geht es auch ohne regulatorisch festgelegte Konditionen.
Dabei wäre jetzt die Diensteanbieterverpflichtung vor allem für Freenet wichtig, dem größten verbliebenen Serviceprovider. Deren Chef, Christoph Vilanek, klagt schon lange darüber, dass keiner der drei Netzbetreiber ihm 5G-Kapazitäten für seine eigenen Tarif-Angebote zur Verfügung stellt. Im Angebot von Freenet sind aktuell nur ?5G-Light? ? Tarife mit Aufpreis und gedrosselter Übertragungsgeschwindigkeit ? das nimmt 5G den Clou. Vilanek darf lediglich die Original-5G-Tarife von Vodafone und Deutscher Telekom vermarkten. Seit 1&1 die Netzkapazitäten bei Telefónica aufgibt, wartet die Branche gespannt darauf, wann Telefónica-Chef Markus Haas Vilanek den ersten 5G-Vertrag bekommt. Doch das Warten währt jetzt schon monatelang ? ein Zeichen dafür, dass man sich wohl nicht so leicht handelseinig wird.
Stumpfes Schwert
Bei der letzten Frequenzvergabe war nur ein ?Verhandlungsgebot? auferlegt worden ? ein recht stumpfes Schwert. Das ?Handelsblatt? berichtete, dass das Verkehrsministerium unter der Leitung des damaligen Ministers Andreas Scheuer Druck ausgeübt hatte auf die eigentlich unabhängige Bundesnetzagentur, eine verpflichtende Regelung zu killen ? im Gegenzug versprachen die Netzbetreiber wohl mehr Mobilfunkmasten in der Provinz.
Die WIK-Studie vermittelt jetzt den Eindruck, als habe diese Entscheidung keinerlei Konsequenzen am Markt gehabt ? die Wettbewerbslage wird als gesund eingeschätzt. Die Mobilfunk-Netzbetreibern waren dafür per Fragebogen eher qualitativ als quantitativ abgefragt worden mit vielen leeren Flächen für frei zu formulierende Antworten. Doch werden die Zweifel an der Integrität der Studie immer lauter: ?Ich bin entsetzt über die Qualität der Studie?, sagt Stephan Albers, Geschäftsführer des Verbands der alternativen Breitbandanbieter. Er hat eine Studie über die Studie anfertigen lassen. ?Die vom WIK gewählte deskriptive Vorgehensweise erlaubt grundsätzlich nur eine vorsichtige Interpretation der dargestellten Indikatoren sowie die Ableitung von überprüfbaren Hypothesen?, so lautet das Urteil von Professor Ralf Dewenter von Ideas Economics.
Ein Wolf im Schafspelz?
Interessant ist, warum die Wahl für die Studie überhaupt auf das WIK fiel ? die Bundesnetzagentur hat schließlich mit Abteilung 12 auch eigene Experten für Marktanalysen und Zugriff auf viele marktrelevante Daten. Die Studie leitete WIK-Abteilungsleiter und -Direktor Bernd Sörries, der bis 2010 selbst als leitender Regulierer zwölf Jahre lang für E-Plus arbeitete und im Anschluss eine wissenschaftliche Forschungsstelle übernahm, die von E-Plus mitfinanziert wurde. Schon damals sprach Sörries sich in einer von E-Plus finanzierten Studien gegen eine Diensteanbieterverpflichtung aus. Seine aktuelle Meinung war vorhersehbar. Sörries? Einschätzungen aus der damaligen Studie stimmt fast wörtlich in der heutigen WIK-Studie überein: Die Konkurrenz zwischen Mobilfunknetzbetreibern und Diensteanbietern sei unproblematisch, da beide unterschiedliche Kundensegmente adressierten. Sörries spricht wie damals erneut Diensteanbietern ein Innovationspotential ab: ?Eine Vorleitungsregelung in Form einer verschärften Diensteanbieterregelung kann die Innovationsmöglichkeiten nicht steigern.?
Ausgerechnet die beiden wunden Punkte des Wettbewerbs ? das Geschäftskunden-Segment und Bündel-Angebote ? sparte die WIK-Studie ohne weitere Erklärung einfach aus. Dabei klaffen in diesen Segmenten die größten Wettbewerbslücken.
Noch im Herbst 2022 beschrieb Telefónica Deutschland-Chef Markus Haas selbst in einem Interview das Geschäftskundengeschäft in Deutschland als Duopol. Früher aber waren Dienstanbieter in diesem Segment noch sehr präsent. Freenet zum Beispiel kann potenziellen Kunden keine Angebote machen, wie die drei Netzbetreiber dem Anbieter die notwendigen, spezifischen Vorleistungen wie VPN und dedizierte APN-Zugänge nicht gewähren.
Technisch ist es dem Anbieter nicht möglich, in den Tarifen auch Telefonanlagen einzubinden oder ein Pooling von Leitungen vorzunehmen. Eine Diensteanbieterverpflichtung würde einen Tarif für derartige technische Vorleistungen regulatorisch festlegen.
Bei Bündel-Angeboten haben die Deutsche Telekom und Vodafone einen hausgemachten Vorteil, weil sie als einzige zusätzlich zum Mobilfunk auch ein Festnetz betreiben. ?Die Wettbewerbsdefizite des Mobilfunkmarkts strahlen auf den Festnetzmarkt?, so ein Branchenkenner. Glasfaserausbauende Unternehmen sind wegen fehlender Vorleistungen nicht in der Lage, Bündelprodukte anzubieten, die Kunden Kostenersparnisse bringen."
Was wiedermal für ein Gemauschel der BNetzA... - ohne Worte!
https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/...werden/29711184.html
|