Rangnick-Interview
04.08.06, 12:54
Es war die spektakulärste Personalie des Sommers. Dietmar Hopp, Gründer des Software-Unternehmens SAP und mehrfacher Milliardär, verpflichtet den ehemaligen Schalke-Trainer Ralf Rangnick, für den von ihm geförderten Regionalligisten TSG Hoffenheim. Zusammen mit Rangnick schließt sich der von Jürgen Klinsmann umworbene Hockey-Nationaltrainer Bernhard Peters dem Drittligisten aus Baden an. Zum Saisonstart erklärt Rangnick im FOCUS-Online-Interview die Gründe für seinen Wechsel und wie er Hopps Erstliga-Träume realisieren will.
FOCUS Online: Wie haben Sie reagiert, als Dietmar Hopp Ihnen den Posten als Trainer einer Regionalliga-Mannschaft angeboten hat?
Rangnick: Ich habe natürlich nicht mit diesem Anruf gerechnet. Im ersten Moment war ich deshalb auch etwas vorsichtig. Es gibt ja immer wieder Stimmenimitatoren, die versuchen, einen hereinzulegen.
FOCUS Online: Und die Aufgabe selbst?
Rangnick: Ich konnte es mir eigentlich nicht vorstellen. Aber Herr Hopp bat um ein Treffen, und dagegen ist ja nichts zu sagen.
FOCUS Online: Ihre Zukunftsplanung galt zu dieser Zeit noch ganz der Bundesliga?
Rangnick: Ich bin grundsätzlich davon ausgegangen, dass ich in der ersten Liga bleibe. Es gab zudem einige Gespräche bezüglich Nationalmannschaften und Teams aus England. An Hoffenheim habe ich nicht gedacht.
FOCUS Online: Wie kam es zu Ihrem Sinneswandel?
Rangnick: Das Interesse kam erst, als mir klar wurde, in welchen Dimensionen Dietmar Hopp plant. Dass es ihm nicht nur darum geht, einen Trainer zu finden, der endlich in die zweite Liga aufsteigt, sondern dass da mehr dahinter steckt. FOCUS Online: Was heißt das konkret?
Rangnick: Dieses Projekt, das wir jetzt in Hoffenheim beginnen, hat es so in Deutschland noch nie gegeben. Hier kann ich als Trainer innerhalb eines festgelegten Budgets eigenständig entscheiden: Mit welchem Team ich arbeite, welche Spieler ich hole, welche nicht, was ich den Spielern anbiete. Fußball ist ein Puzzle aus 100 Teilen und hier können wir jedes einzelne Teil zusammenfügen. Grenzen haben wir nur im eigenen Kopf.
FOCUS Online: In der Bundesliga fanden Sie diese Art von Freiheit nicht?
Rangnick: In der Bundesliga gibt es das nicht. Dort sind viele Positionen mit starken Charakteren und Persönlichkeiten besetzt. Man muss ständig aufpassen, dass die Verantwortlichen nicht meinen, man wolle sich in ihre Arbeit einmischen. Dabei kann sich jeder nur weiterentwickeln, wenn er sich ständig hinterfragt. Auch ich will ständig wissen, was kann ich besser machen, was war gut, was war weniger gut. Wenn einer glaubt, er kann alles besser und weiß alles besser, dann entwickelt er sich nicht weiter.
FOCUS Online: Wie groß ist der Druck für einen Trainer mit Erstliga-Ambitionen in der Regionalliga?
Rangnick: Ein Trainer muss überall erfolgreich sein. Als ich zu Schalke kam, stand die Mannschaft nach sechs Spieltagen auf dem 16. Tabellenplatz und wollte unbedingt in den Uefa-Pokal. Auch dort war der Druck immens.
FOCUS Online: Wie schnell wollen Sie in die erste Liga zurück?
Rangnick: Wenn ich mir nicht realistisch vorstellen könnte, dass wir mit den Möglichkeiten, die wir hier haben, zeitnah in die zweite Liga und mittelfristig in die erste Liga aufsteigen könnten, dann hätte ich das nie gemacht. Ich will persönlich so schnell wie möglich dahin zurück, wo ich in den letzten Jahren gearbeitet habe.
FOCUS Online: Dietmar Hopp plant langfristiger. Er gibt dem Projekt Bundesliga fünf Jahre Zeit.
Rangnick: Wenn Herr Hopp als Geldgeber einen längeren Zeitraum ansetzt, ist das vernünftig. Zwei Jahre für jeden Aufstieg sind eine realistische Planung. Aber das heißt nicht, dass unser Ehrgeiz nicht weiter geht. Wir können ja schlecht in eine Saison starten und sagen, in diesem Jahr wollen wir noch nicht aufsteigen.
FOCUS Online: Können Sie diesen Ehrgeiz mit Hopps Anspruch verbinden, eine in der Region verwurzelte Mannschaft zu formen?
Rangnick: Dieses Ziel haben wir alle. Es geht nicht nur um das Was, sondern auch um das Wie. Dazu gehört vor allem, das Projekt Jugend fortzuführen und auf ein noch höheres Niveau zu führen. Unser Anspruch muss sein, aus der Jugendarbeit jedes Jahr ein, zwei Spieler hervorzubringen, die das Niveau haben, die erste Mannschaft zu verstärken. Das ist jetzt die Regionalliga und muss in der Zukunft auch für die zweite und erste Bundesliga gelten.
FOCUS Online: Den Wert, den Hoffenheim auf die Nachwuchsförderung legt, sieht man auch in der Verpflichtung des Hockey-Nationaltrainers Bernhard Peters. Was ist seine Aufgabe?
Rangnick: Er soll unsere Trainingsarbeit von den Sechsjährigen bis zur ersten Mannschaft entwickeln und optimieren. Gerade im Jugendbereich bestehen in Hoffenheim bereits jetzt ausgezeichnete Voraussetzungen. Es gibt zwei Jugendleistungszentren, zwei weitere sollen folgen. Es gibt das Privat-Gymnasium St. Leon-Rot, das einige unserer Nachwuchsspieler besuchen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Führungskräfte von SAP Patenschaften für junge Spieler übernehmen und sie auf eine Karriere nach dem Fußball vorbereiten.
FOCUS Online: Das klingt nach einem Rundum-Sorglos-Paket.
Rangnick: Natürlich wollen wir unseren Spielern optimale Bedingungen bieten. Aber wir setzen bei der Ausbildung auf einen ganzheitlichen Ansatz: Die Spieler müssen wissen, dass es noch mehr gibt als Fußball. Man darf nicht vergessen, dass der Fußball eine Scheinwelt ist. Das sehen viele junge Spieler nicht mehr, weil sie vom normalen Leben schon so weit entrückt sind und ihnen alles abgenommen wird.
FOCUS Online: Zum ganzheitlichen Ansatz gehört bei Ihnen auch die Arbeit mit einem Psychologen.
Rangnick: Das stimmt. Wir wollen mit Hans-Dieter Hermann, der zuletzt die Nationalmannschaft betreut hat, zusammenarbeiten.
FOCUS Online: Was erwarten Sie sich von ihm?
Rangnick: Seit Jahren reden wir darüber, wie wichtig der Kopf bei einem Spieler ist. Was passiert psychisch bei ihm, wie geht er mit Druck um. Die Verantwortlichen sehen zwar, dass ein Spieler im Moment Probleme hat, aber wie man ihm wirklich helfen kann, das wissen sie nicht. Dazu braucht man einen Experten. Letztendlich geht es doch immer um eines: die optimale Leistung abzurufen.
Quelle:http://focus.msn.de/sport/fussball/regionalliga/...iew_nid_33068.html
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