Volkswagen: Der Zock des Jahrzehnts
03. Juni 2009 10:31 Die großen Börsenindizes haben sich heute kaum bewegt. Nach dem Kursfeuerwerk am Montag wurden heute die Gewinne knapp verteidigt. Das bedeutet aber nicht, dass der Handelstag langweilig war. Ganz im Gegenteil. Die VW-Aktie sorgte einmal mehr für Schlagzeilen.
In den vergangenen Tagen schien langsam Normalität einzukehren. Die völlig überteuerte VW-Stammaktie sank langsam Richtung 200 Euro. Dann heute der Paukenschlag: Ein Kursplus von über 10% trieb die Aktie auf 253 Euro. Keine einzige Meldung kann diesen Kurssprung auch nur annähernd erklären.
Auffällig: Kursdifferenz erreicht heute exakt 200 Euro
Was mir aufgefallen ist: Die VW-Stammaktie ist auf 253 Euro gestiegen, die VW-Vorzugsaktie zeitgleich gegen den positiven Gesamttrend auf 53 Euro gefallen. Die Kursdifferenz zwischen den Stämmen und Vorzügen beträgt fast auf den Cent genau 200 Euro.
Das könnte dafür sprechen, dass sich erneut ein Hedgefonds, eine Bank oder ein Großinvestor fürchterlich die Finger verbrannt hat, während die Gegenpartei auf eine Kursdifferenz von 200 Euro gewettet hat. Mit dieser Wette auf fallende Kurse der Stammaktie und gleichzeitig steigenden Kursen der Vorzugsaktie haben Fonds und Banken Milliardenbeträge verloren. Und die Falle schnappt immer wieder zu.
Es ist auch verführerisch: Jeder Investor weiß, dass Stämme und Vorzüge theoretisch ungefähr den gleichen Wert haben müssten. Die Stämme sind liquider, besitzen ein Stimmrecht und sind im DAX notiert. Das sorgte in der Vergangenheit für einen deutlichen Bewertungsaufschlag. Vor 5 Jahren notierte die VW-Stammaktie bei 35 Euro und die VW-Vorzugsaktie bei 24 Euro. Ein großer Kursunterschied, aber doch noch halbwegs nachvollziehbar. Das aktuelle Kursverhältnis von 253 zu 53 Euro ist dagegen nur noch absurd.
3 Theorien, warum die VW-Stämme heute wieder explodiert sind
Fast jeder Börsenhändler hat eine andere Theorie, warum die Stämme so teuer sind und immer wieder irrational ansteigen. Eine Theorie besagt, dass Porsche den Kurs der VW-Stammaktie künstlich oben hält, damit die VW-Optionen im eigenen Portfolio nicht in die Verlustzone rutschen und die Finanzprobleme noch weiter verschärfen. Aber dafür ist mir das Volumen zu hoch. Heute wurden für rund 400 Mio. Euro VW-Stämme gehandelt. Ob Porsche in der Lage ist, täglich dreistellige Millionenbeträge zu investieren, darf bezweifelt werden. Die Kreditgeber dürften keine Lust auf weitere Casino-Spielchen haben.
Eine weitere Theorie besagt, dass Investoren außerhalb des VW-Porsche-Imperiums auf die jeweiligen Kursentwicklungen gewettet haben und diese Wetten heute teilweise fällig wurden. Auch das halte ich für nicht sehr wahrscheinlich. Es ist ein offenes Geheimnis, dass am 19. Juni (großer Verfallstag am Terminmarkt) sehr viele Optionen auf VW fällig werden. Wenn also jemand gegen die VW-Stämme wettet, wird er dafür sorgen, dass das eigene Geschäft erst am 19. Juni oder später fällig wird. Dann könnten mehrere Millionen VW-Aktien ohne Limit auf den Markt geworfen werden. Wer lässt angesichts dieser Aussichten die VW-Wette 2 Wochen früher fällig werden?
Eine dritte Theorie besagt, dass Porsche still und heimlich einen Investor gefunden hat, der bei der VW-Übernahme hilft. Das wäre der Coup des Jahrzehnts. Politik, VW-Vorstand und Gewerkschaften feiern in Wolfsburg die Fußballmeisterschaft und den Sieg im Übernahmekampf gegen Porsche, dabei stehen die "Feinde" kurz vor der 75%-Grenze. Das Land Niedersachsen hätte immer noch das Veto-Recht, aber es wird sich schon ein Gericht finden, dass das VW-Gesetz für ungültig erklärt. Unwahrscheinlich, aber nicht undenkbar.
Die VW-Falle wartet auf die nächsten Opfer
Egal, welche Theorie zutrifft (wahrscheinlich gibt es noch viel mehr Lösungsmöglichkeiten), es werden unglaubliche Geldsummen bewegt. Für 1,6 Mio. VW-Stammaktien wurden heute an der Börse insgesamt rund 400 Mio. Euro gezahlt. Der fundamental angemessene Preis liegt mindestens 200 Mio. Euro tiefer. Die Käufer, die heute 250 Euro pro Aktie bezahlt haben, müssen am 19. Juni im Extremfall damit rechnen, dass der Kurs auf 100 Euro oder tiefer fällt.
Diese fast (!!!) 100% sichere Wette auf fallende VW-Kurse hat in den vergangenen Monaten Banken, Hedgefonds und auch Privatinvestoren in gigantische Verluste getrieben. Jeder weiß, dass das Kartenhaus einbrechen muss, aber niemand weiß, wann es einbricht. Das ist der Zock des Jahrzehnts.
http://www.be24.at/blog/entry/623813 ----------- Der Mensch ist mit nichts in der Welt zufrieden, ausgenommen mit seinem Verstande, je weniger er hat, desto zufriedener.
August von Kotzebue
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