Lieber Geldanleger, zwei politische Signale, eins von Seiten der EU und eins - halbfreiwillig - von Seiten der neuen Regierungskoalition erwecken das klinisch tote Biodieselsegment wieder zum Leben. Doch ob sich ein Kauf der börsennotierten Player VERBIO (Vereinigte BioEnergie AG), BDI Biodiesel oder gar EOP Biodiesel jetzt (noch) lohnt, ist sehr zweifelhaft. Biodiesel wird in Deutschland in erster Linie aus Raps hergestellt und dem Diesel beigemischt. Zugefügt werden häufig noch Soja und/oder Palmenöl. Wirtschaftlich ist das Ganze bisher nicht. Ein Markt gibt es für das Produkt nur auf Grund der staatlich verordneten Beimischungspflicht und Steuerbegünstigungen. Von der Höhe der Begünstigungen ist es aber abhängig, ob über die Mindestbeimischungspflicht von sieben Volumenprozent ein zusätzlicher Markt vorhanden ist. Seit die Steuer Anfang 2008 von sechs auf 15 Cent je Liter angehoben wurde, ist der Markt dramatisch eingebrochen. Inzwischen wird der Biokraftstoff sogar mit 18 Cent je Liter besteuert. Diskussionen über Sinn und Unsinn von Biokraftstoffen für den Umweltschutz hatten dafür gesorgt, dass die Lobbyisten bei Politikern einen schweren Stand hatten. Zwischenzeitlich wurde ein Großteil der Produktionsstätten bereits stillgelegt, einige Anbieter gingen Pleite. Vor kurzem meldete mit den börsennotierten EOP Biodiesel, die auf die Produktion von Biodiesel aus Industrieabfällen spezialisiert sind, ein weiterer Anbieter, das Eigenkapital sei aufgebraucht. Theoretisch bedeutet dies Insolvenz durch Überschuldung, aber noch sind liquide Mittel vorhanden, so dass der Betrieb fortgesetzt wird. Noch hofft man bei EOP auf eine Einigung mit den Banken. Die große Hoffnung von EOP und allen anderen Anbietern kommt aus der Richtung, aus der jahrelang das Unheil kam: von der Politik! Ein erstes positives Signal kam im Juni von der EU, die in ihrer "Erneuerbare-Energien-Richtlinie" eine verbindliche Rechtsgrundlage zur Förderung und Nutzung von Biokraftstoffen im Verkehr geschaffen haben. Genau darauf hatten Anbieter wie VERBIO schon lange gewartet. Hintergrund ist der Klimaschutz, der mit einer 20-prozentigen Reduzierung des CO2-Ausstoßes vorangetrieben werden soll. Eine Beimischungsquote an alternativen Kraftstoffen ins Benzin von mindestens zehn Prozent soll dazu einen entsprechenden Beitrag leisten. Jedes EU-Mitglied muss bis Juni 2010 einen entsprechenden Aktionsplan vorlegen. Die neu zusammengestellte Regierungskoalition hat also konkrete Vorgaben mit entsprechendem Termindruck im Nacken. Quasi zwangsläufig muss nun die nationale Biodiesel-Branche, die quasi vor dem Zusammenbruch stand, wieder aufgepeppelt werden. Glaubt man entsprechenden inoffiziellen Verlautbarungen aus Regierungskreisen könnte bereits am Anfang 2010 die Besteuerung dramatisch von 18 auf zehn Cent je Liter gesenkt werden. Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner forderte gar eine Senkung auf nur noch acht Cent. Er beruft sich dabei auf den Biokraftstoffbericht der Bundesregierung im ersten Halbjahr 2009, der besage, dass "Biodiesel und Pflanzenölkraftstoffe um rund zehn Cent pro Liter günstiger sein müssten, um im Wettbewerb mit fossilen Kraftstoffen mithalten zu können". *Jeder Cent zählt Ein Cent mehr oder weniger bedeutet Millionen an Einnahmedifferenz. Wie viel genau ist schwer zu prognostizieren, weil darüber letztlich auch der Preis für das konkurrierende herkömmliche Benzin entscheidet - und dieser hängt bekanntlich von der Entwicklung des Ölpreises ab. Auf jeden Fall drängt die Zeit. Aktuell stehen einer Biodieselproduktionskapazität von (je nach Quelle) 5,2 Milliarden Litern (bzw. 4,5 Millionen Tonnen) nur ein Absatz von 3,1 Milliarden Litern gegenüber. Das geht aus einer offiziellen Unterrichtung der Bundesregierung vom 1. September 2009 hervor. Neben einer Steuersenkung könnte auch die Beimischungspflicht weiter ansteigen. Diese lag 2008 noch bei fünf Prozent, stieg zum 1. Januar 2009 auf sieben Prozent und könnten 2010 gar auf zehn Prozent hochgefahren werden. Wenn gleichzeitig die Produktionskapazität zurückgeht, könnte sich auf einmal das Angebots-/Nachfrageverhältnis drastisch zugunsten der Anbieter verschieben. Genau darauf setzen Spekulanten, die aktuell die Kurse der bilanziell stabileren börsennotierten Biodieselfirmen nach oben treiben. *Warum gerade VERBIO so stark steigt Allen voran gilt das für die VERBIO-Aktie, die sich in den letzten 52 Wochen verdreifacht hat. Das liegt unter anderem daran, dass VERBIO "ein ganz großes Rad dreht" und mit Abstand den größten Ertragshebel hat, wenn Biodiesel wirklich wieder ein Verkaufsschlager werden sollte. Die Nominalkapazität liegt bei 450.000 Tonnen oder 520.000 Liter Biodiesel jährlich. Das entspricht exakt zehn Prozent der gesamten Kapazität in Deutschland. Umsätze von 267 Millionen Euro hat man daraus in den ersten neun Monaten 2009 erwirtschaftet. Bei voller Auslastung hätten es geschätzte 20 Prozent mehr sein können. Darüber hinaus hat VERBIO im gleichen Zeitraum auch 130.000 Tonnen Bioethanol produziert. Bioethanol wird normalem Benzin beigemischt. Damit wurden nochmals knapp 95 Millionen Euro umgesetzt. Zur weiteren Diversifizierung wird VERBIO künftig das bei der Ethanolproduktion entstehende Abfallprodukt ("Schlempe") zur Biogasproduktion einsetzen. Zunächst sollen so die eigenen Energiekosten reduziert werden. Ab dem dritten Quartal 2010 soll das produzierte Biogas dann tatsächlich ins Gasnetz der Energieversorger eingespeist werden. In zwei bis drei Jahren will man so bereits zu einem veritablen Biogasproduzenten mit einem Umsatzvolumen von 60 bis 80 Millionen Euro herangewachsen sein. Das Problem: Der Aufbau der Produktion kostet viel Geld (ca. 50 Millionen Euro) und kann nur teilweise aus Eigenmitteln (liquide Mittel aktuell rund 50 Millionen Euro, die aber natürlich nicht alle für das neue Geschäftssegment verpulvert werden können) gestemmt werden. Fraglich ist, inwieweit hier entsprechende Finanzierungen mit den aktuell ja nicht gerade freigiebigen Banken gesichert werden können. *Hohe Chancen, hohe Risiken Aus bewertungstechnischer Sicht machen die oben beschriebenen Umsatzdimensionen (selbst im Krisenjahr 2009 sollten insgesamt über 500 Millionen Euro umgesetzt werden) und die geplante weitere Expansion die Aktie interessant, wenn man im Verhältnis dazu die relativ geringe Marktkapitalisierung von aktuell 173 Millionen Euro betrachtet. Das Kurs-Umsatz-Verhältnis liegt trotz des erfolgten Anstiegs der Aktie immer noch erst bei 0,35. Dazu kommen liquide Mittel von 50 Millionen Euro, die ziemlich exakt doppelt so hoch liegen wie die Bankschulden von 25 Millionen Euro. Im Optimalfall kann VERBIO in zwei bis drei Jahren 700 Millionen Euro umsetzen und knapp zweistellige Nettomargen erzielen, weil man hohe Verlustvorträge hat. Dann wäre man bei einem 2012er-KGV von 2,5 und die Aktie hat Vervierfachungspotenzial. Andererseits schleppt man immer noch einen Berg an Goodwill aus früheren Akquisitionen im Biodieselsegment herum. Unter Goodwill versteht man die Differenz zwischen dem Buchwert von erworbenen Firmen und dem (höheren) Preis, den VERBIO tatsächlich dafür bezahlt hat. Eist durchaus wahrscheinlich, dass hier im Zuge des Jahresabschlusses weitere Abschreibungen fällig werden. Dann wären die aktuell herumgereichten Zahlen für den Buchwert von 4,95 Euro je Aktie schnell wieder Makulatur. Verzögern sich dagegen die Steuererleichterungen und kommt für das Biogasprojekt keine Finanzierung zustande, können andererseits nicht nur der Buchwert sondern auch die liquiden Mittel schnell weiter zusammenschmelzen. MEIN FAZIT: - VERBIO ist eine ganz heiße Spekulation mit hohen Chancen aber auch hohen Risiken. - Charttechnisch hat sich kurzfristig ein sehr stabiler Aufwärtstrend ausgebildet, der von kurzen heftigen Rücksetzern begleitet wird. - Betrachtet man die schwachen Neun-Monats-Zahlen im Verhältnis zur Kursentwicklung, ist inzwischen bereits einiges an Zukunftsfantasie im Kurs enthalten. http://www.stock-world.de/analysen/...iodiesel_Rallye_oder_Crash.html
|