Vorsorge + AnlageAnlagestrategie
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§ HANDELSBLATT, Mittwoch, 10. Oktober 2007, 13:40 Uhr Comeback der Edelmetalle
Kofferraum voll Krügerrand Von Ingo Narat
In ganz Deutschland brummt das Geschäft mit Gold und Silber, mit Barren und Anlagemünzen. Zeitweise stehen die Kunden in langen Reihen vor den Läden der Händler, so wie früher, wenn es in der DDR Bananen gab. Doch die Renaissance des Metalls treibt noch skurrilere Blüten.
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Gilt vielen Anlegern wieder als sicherer Hafen in Krisenzeiten: die südafrikanische Goldmünzer Krügerrand. Foto: dpa Bild vergrößernGilt vielen Anlegern wieder als sicherer Hafen in Krisenzeiten: die südafrikanische Goldmünzer Krügerrand. Foto: dpa
FRANKFURT. Pavol Jurecko kommt in jüngster Zeit abends erst spät nach Hause. Er braucht jede Minute in seinem Frankfurter Büro und hat dort alle Hände voll zu tun, um der Kundschaft Herr zu werden. Seit Beginn der Finanzkrise Mitte Juli ist sein Geschäft mit Gold- und Silberbarren sowie mit Münzen regelrecht aufgeblüht. ?Jetzt kommen schon die Arbeiter von der Baustelle gegenüber, die haben noch den Helm auf dem Kopf und kaufen?, sagt er. So etwas, erinnert sich der erfahrene Händler, habe es noch nicht gegeben.
Manchmal ist es wie im Kuriositätenkabinett. Da besuchen den Händler sogar Bankangestellte und sacken die Metalle ein. Die kaufen auf eigene Rechnung. Ihren Kunden in der Bank dürfen sie so etwas nicht empfehlen, sagen sie dann schon einmal.
In ganz Deutschland brummt das Geschäft mit Gold und Silber, mit Barren und Anlagemünzen. ?Die Kunden standen zeitweise in langen Reihen vor dem Laden, so, als wenn es früher in der DDR Bananen gab?, sagt Robert Hartmann, der in München die Geschäfte von Pro Aurum führt, einem der größten deutschen Händler. Wolfgang Weber von Taurus Investors, der seinen Handel in Dubai und in Deutschland betreibt, bedauert: ?Hätten wir nur in Berlin einen kleinen Shop am Kudamm oder auf der Friedrichstraße, wir würden uns dumm und dämlich verdienen.?
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Die Händler kämpfen mit einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage, und das mit nur kleinen Verkaufsmannschaften. Seit dem Beginn der amerikanischen Hypothekenkrise Mitte Juli suchen die Anleger sichere Häfen. Und die Misere um die IKB und die Landesbanken schreckten gerade die Deutschen auf. Dazu kamen die erschreckenden Bilder von Schlangen vor den Filialen der britischen Bank Northern Rock. Die Angst ums Ersparte trieb die Kunden um. Das rief bei einigen Deutschen üble Erinnerungen wach. Auf der Suche nach Sicherheit wagen sie wieder einen Blick auf die lange verschmähten Metalle.
Früher hätten die Kunden nicht bei den privaten Händlern auf der Matte gestanden. Das Edelmetallgeschäft war eine Domäne der Banken. Doch die Institute zogen sich in der Goldpreisbaisse während der achtziger und neunziger Jahre weitgehend aus dem damals unrentablen Geschäft zurück. Jetzt wickeln Geschäftsleute wie Jurecko die Deals ab: Sein traditionsreiches ?Münzkabinett? war früher ein Aushängeschild der Dresdner Bank, die die Sparte aber vor vielen Jahren abstieß.
Zwei Jahrzehnte Preisbaisse hinterließen auch Spuren bei den Investoren. Die breite Anlegerschaft hat sich vom physischen Metallbesitz fast vollständig verabschiedet. Daran änderte die Hausse der vergangenen Jahre wenig. Der Preisaufschwung ist im Bewusstsein eines klassischen Privatanlegers noch nicht angekommen (siehe ?Glänzendes Comeback?). Aber das zaghaft erwachende Interesse reicht für eine Vervielfachung der Umsätze bei den wenigen Händlern ? von niedrigsten Niveaus aus. In der Regel erreichen die Jahresumsätze zweistellige, in Ausnahmefällen dreistellige Millionenbeträge.
?Die Verbraucher treibt die Unsicherheit gegenüber allen Papierwährungen?, sagt Jurecko. Martin Siegel erkennt teilweise völlig veränderte Verhaltensmuster. Der Fondsberater und Gründer der Handelsfirma Westgold sieht, dass manche Verbraucher sich um 180 Grad drehen. ?Einige schichten plötzlich zehn oder sogar 20 Prozent ihres Vermögens in Gold um?, sagt er. Dann gibt es Anleger, die richten sich jetzt an Regeln aus, die zuletzt in den siebziger Jahren als Orientierung dienten: ?Diese Kunden setzen plötzlich die alte Drittelung um, ein Drittel in Immobilien, eins in Cash und eins in Gold.?
Teilweise treibt die Renaissance des Metalls skurrile Blüten. Es kommen Kunden vorgefahren, die mal eben ihren Kofferraum bis zur Belastbarkeitsgrenze mit Metall beladen ? dann allerdings meist mit Silber, das mit 13 Dollar je Unze (31 Gramm) im internationalen Großhandel weit preiswerter ist als Gold mit jetzt über 700 Dollar. Ein Händler berichtet von einem Kunden, der am Tag der Nachricht über die Schieflage bei der IKB Bank das Girokonto leer räumte, für das Geld Gold kaufte und es in einen Tresor packte. Ein anderer erzählt von der alten Dame, die ihr ganzes Ersparte abhob und es in Goldmünzen tauschen wollte. Gut für Anleger: Täglich eine neue Investmentidee auf Handelsblatt.com !
Gekauft werden Gold und Silber, in Barrenform oder als Anlagemünzen. In Gold kostet der große Kilobarren um die 17 000 Euro, da sind kleinere Stückelungen preiswerter, auch wenn das Aufgeld auf den reinen Metallwert höher ist. ?Aber im Moment geht vor allem das, was klein und handlich ist?, sagt Weber von Taurus. Dazu zählt er auch die Goldbarren mit 20, 50 oder 100 Gramm Gewicht. Eine Alternative sind die klassischen Anlagemünzen, allen voran der südafrikanische Krügerrand.
Beim Silber geht es um andere Gewichtsklassen. Frank Ewers hat mal eben ?eine halbe Tonne am Flughafen abgeholt, die war schnell verkauft?. Wenn ein Anleger 10 000 kanadische Maple Leaf in Silber in der Ein-Unzen-Variante für rund 120 000 Euro bestellt, dann ist das für ihn nicht ungewöhnlich. Wie der Kunde dann die 300 Kilo abtransportiert und lagert, ist wieder eine andere Frage. Ewers hatte einen Online-Handel mit Silber aufgezogen ? und den Verkauf zeitweise eingestellt. Bei steigender Nachfrage und langen Lieferzeiten einiger Münzprägeanstalten rund um den Globus konnte er die Kundenwünsche nicht mehr befriedigen.
Aber jetzt mischt er wieder mit und empfiehlt den Ein-Kilo-Silberbarren von den Cook Islands. Es ist die billigste Silbermünze, weil sie als gesetzliches Zahlungsmittel in Barrenform gegossen ist. Mit diesem Trick haben die Cook-Inseln einen Coup gelandet: Barren aus Weißmetallen wie Silber gelten hierzulande als Industriemetalle und unterliegen der 19-prozentigen Mehrwertsteuer. Für Silbermünzen wird dagegen der verminderte Satz von sieben Prozent veranschlagt ? und das gilt auch für die Münze in Barrenform.
Glänzendes Comeback
Vergangenheit: Zwei Jahrzehnte lang waren Edelmetalle out. Auf das Platzen der Spekulationsblase 1980 folgte eine zermürbende Talfahrt der Preise. Erst vor acht Jahren fand sie ihr Ende bei einem Unzenpreis von rund 250 Dollar ? der Dollar ist die international gängige Rechnungswährung. Seitdem geht es stetig bergauf. Erst vor wenigen Wochen überwand der Preis die 700-Dollar-Marke.
Gegenwart: Der Markt ist sehr klein: Allein die Deutschen könnten mit einem Prozent ihres Geldvermögens von rund 5 000 Mrd. Euro eine Weltjahresförderung an Gold und Silber aufkaufen. Im ersten Halbjahr förderten die Minen 1 200 Tonnen Gold, entsprechend einem Gegenwert von nur etwa 20 Mrd. Euro. Der Silbermarkt ist noch weitaus kleiner, damit noch preissensitiver.
Zukunft: Optimisten haben schon einen vierstelligen DollarGoldpreis vor Augen. Sie vertrauen darauf, dass immer mehr Anleger Gold als Schutz gegen Krisen und Inflation wieder entdecken, auch die Chinesen künftig stärker investieren. Hartnäckige Skeptiker bezweifeln das. Gold habe seinem Ruf als sicherer Hafen schon in der Vergangenheit nicht gerecht werden können.
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