Yukos verkauft litauische Raffinerie Russisch-britische TNK-BP und kasachische Gesellschaft Favoriten
von Jens Hartmann
Moskau - Auf Leonid Newslin, den Hauptaktionär des russischen Erdölkonzerns Yukos, hat die russische Generalstaatsanwaltschaft zwar einen internationalen Haftbefehl ausgestellt. Newslin wird des Auftragsmordes verdächtigt, eine Anschuldigung, die er als "politisch motiviert" bezeichnet. Die Strafverfolgung hindert den nach Israel geflüchteten Milliardär indes nicht daran, Geschäfte für seinen Konzern einzufädeln.
Yukos trennt sich von der Aktienmehrheit an der litauischen Großraffinerie Mazeikiu Nafta. Die Raffinerie mit einer jährlichen Kapazität von zwölf Mio. Tonnen Erdöl ist einer der bedeutendsten Umschlagplätze für russische Erdölprodukte in den Westen. Sie stellt Diesel, Benzin, Flugbenzin, Heiz- und Motoröl und Teer her. 40 Prozent der Produktion gehen nach Westeuropa.
Gebeutelt von Milliardennachforderungen des russischen Fiskus und der Verstaatlichung seines Hauptaktivs, kann Yukos mit seinem Öl die Raffinerie nicht mehr auslasten. 53,7 Prozent an Mazeikiu Nafta gehören zu Yukos, 40,66 Prozent hält der litauische Staat. Bis Ende der Woche, teilte Litauens Premierminister Algirdas Brazauskas mit, werde das beste Gebot für den Yukos-Anteil an Mazeikiu Nafta genannt.
Das russisch-britische Joint-venture TNK-BP und die kasachische KazMunaiGaz sind laut Brazauskas die zwei führenden Bieter für die Aktienmehrheit. Geboten hatten noch die polnische PKN Orlen und der russische Ölkonzern Lukoil.
Während TNK-BP rund eine Mrd. Dollar für das Aktienpaket von 53,7 Prozent bezahlen will, offeriert KazMunaiGaz 1,2 Mrd. Dollar. Zum Vergleich: Yukos hatte sich 2002 den Aktienanteil 160 Mio. Dollar kosten lassen. Die litauische Regierung hat für das Aktienpaket sowohl ein Vorkaufs- als auch ein Vetorecht.
Zu Mazeikiu Nafta gehören auch ein Exportterminal im Ostseehafen Butinge. 2004 verarbeitete Mazeikiu Nafta 8,7 Mio. Tonnen Erdöl. Bei einem Umsatz von 2,7 Mrd. Dollar lag der Reingewinn bei 260 Mio. Dollar. In diesem Jahr dürften neun Mio. Tonnen Öl verarbeitet werden.
Mazeikiu Nafta war schon immer ein Politikum. Bereits 1999 traten die litauischen Minister für Finanzen und Wirtschaft sowie Ministerpräsident Rolandas Paksas aus Protest gegen die Bedingungen der Privatisierung des Staatsbetriebes zurück. Damals ging es um den Einstieg des amerikanischen Ölkonzerns Williams International. Der sicherte sich die Hoheit über Mazeikiu Nafta, beschloß jedoch wegen finanzieller Schwierigkeiten 2002, sich von seinen Anteilen zu trennen. Daß ausgerechnet die "amerikanische" Raffinerie an Yukos, also einen russischen Konzern, ging, sorgte in Litauen für Proteste.
Bis heute ist im Baltikum nicht vergessen, daß die Sowjetunion Anfang der neunziger Jahre den Öl- und Gashahn zudrehte, um politischen Druck auf die damals nach Unabhängigkeit strebenden Republiken auszuüben. Die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen ist in den EU-Staaten Estland, Lettland und Litauen noch immer enorm. 90 Prozent des dort verbrauchten Öls und 100 Prozent des Erdgases stammen aus Rußland.
Litauen will dem Kreml nicht auch noch den Schlüssel für Mazeikiu Nafta übergeben. Die Chancen des größten russischen Ölkonzerns Lukoil, den Zuschlag zu erhalten, sind deshalb gering. Lukoil gilt als kremlnah.
Artikel erschienen am Do, 1. Dezember 2005
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