nur was zum Nachdenken für die, die allzu schnell verurteilen... http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/...le/hartz/misstrauen.html
Allem Anschein nach ist die Benutzeroberfläche der Gesellschaft aus althergebrachten Diskursen und Ritualen gewoben, die die wirkliche Entwicklung nur verschleiern. Stets werden Sprüche wiederholt, die keiner mehr glaubt. Die tiefen Tendenzen der Gegenwart erscheinen nicht. Es ließen sich zahlreiche Beispiele dafür erwähnen, bloß werden wir uns hier auf das Hauptthema des aktuellen Wahlkampfs beschränken, nämlich die angekündigte Reform des Arbeitsmarktes. Denn vor all den brennenden Fragen, die es in einer echten Demokratie verdienen würden, zur Debatte zu stehen, scheint nur noch diese die Wahlentscheidung zu bestimmen Und wir erinnern uns auch flüchtig, daß Gerhard Schröder sich dank des Versprechens wählen ließ, er würde die Zahl der Arbeitslosen halbieren. Nun, niemand wird ihm heute vorwerfen, er habe sein Ziel verfehlt, denn als er das versprach, glaubte ihm sowieso keiner. Aber gerade darin liegt der entscheidende Punkt: an dieser ständigen Beschwörung von Chimären, dieser Sinnentleerung des öffentlichen Diskurses, dieser generellen Verachtung. Die Würde des Regierenden ist unauffindbar. In den letzten Jahren hatten die Glücklichen Arbeitslosen manchmal Gelegenheit, ihre Thesen vor Gewerkschaftlern, Unternehmern, Akademikern oder sonstigen Mittelständlern zu vertreten. Selbstverständlich riefen manche Inhalte und vor allem die ironische Form unserer Aussagen keine uneingeschränkte Zustimmung hervor. Dazu waren sie auch nicht da. Dennoch wurde uns in den anschließenden Gesprächen fast immer in zwei Punkten recht gegeben. Erstens: Es ist illusionär, mit einer Beseitigung der Arbeitslosigkeit zu rechnen, mit welcher Politik auch immer und ganz gleich, wie die wirtschaftliche Konjunktur aussieht. Der zweite Punkt: Es ist infam, Arbeitslose für diese strukturelle Entwicklung schuldig zu machen und die Rechnung der globalisierten Wirtschaft von den Schwächsten bezahlen zu lassen. Auf zahlreichen Tagungen und Kongressen zur "Zukunft der Arbeit" pflegen Hofsoziologen und sonstige autorisierte Experten, sich für ein "radikales Umdenken" der Arbeitsideologie und eine "Grundsicherung für alle" auszusprechen. Solche Lippenbekenntnisse kommen beim Publikum immer gut an. Doch offensichtlich werden sie nicht bis in die Regierungskreise getragen, wo diese Spezialisten sonst verkehren. Es sind bloß Beruhigungspillen für den aufgeklärten Mittelstand. Währenddessen kann sich der Sozialabbau ungestört fortsetzen. Bekanntlich wird nicht mittels des Feuilletons bürgerlicher Zeitungen regiert, sondern mittels Bild-Zeitung und Fernsehen. Und dort reichen populistische Sprüche gegen das "Recht auf Faulheit" und für die Ausrottung der Schmarotzer aus. Soweit bekannt hat sich keiner der "querdenkenden" Staatsintellektuellen erlaubt, gegen diese Demagogie Stellung zu nehmen. Das ist nicht weiter erstaunlich. Erstaunlich ist hingegen, daß es offenbar noch CDU-Wähler gibt, die sich an christlich-demokratische Werte halten und SPD-Wähler, die sozialdemokratische Ideale vertreten. Und Gewerkschafter, die sich Sorgen um Arbeitnehmerrechte machen. Und sogar Unternehmer, die das diffuse Gefühl haben, fürs Geschäft sei uneingeschränkter Egoismus mittelfristig schädlich. Da wir keine Soziologen sind, werden wir nicht behaupten, über die tatsächliche Stimmungslage an der Basis Bescheid zu wissen. Dennoch ist eines sicher: Es wird sich kaum noch jemand finden, der an eine Beseitigung der Arbeitslosigkeit glaubt. Zu viele Versprechen verderben den Brei. Meistens ist für Arbeitslose nicht die Gegenwart an sich das größte Problem (jahraus, jahrein lernt man sich zu arrangieren) sondern das Gefühl, am Rand des Abgrunds zu stehen. Die Zukunft droht. Mit einer generellen Verschlimmerung wird gerechnet. Jede neue Maßnahme, jede Zumutbarkeitsregel verschärft den Eindruck, im Begriff zu sein, von der Gesellschaft ausgespuckt zu werden. Wer spricht da von Konsens? Wir hören nur die Selbstbestätigung des industriell-medial-politischen Komplexes.
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