Stupid White Men - Eine Abrechnung mit dem Amerika unter George W. Bush - von Michael Moore
Bananenrepublik USA: Im Weißen Haus sitzt »Baby Bush mit seiner Kamarilla«, ein Präsident, der nie gewählt wurde, und der regieren läßt - hauptsächlich von Geschäftsfreunden seines Vaters. Die Lage der Nation ist entsprechend: die Außenpolitik eine Serie von haarsträubenden Fehlern, die Börse entpuppt sich als ein Tummelplatz für Betrüger, viele Anleger sind ruiniert, die Wirtschaft auf Talfahrt. In dieser Abrechnung voll boshaftem Witz zeigt Michael Moore, was alles schief läuft in der einzigen Weltmacht, den USA. Er schont dabei nichts und niemanden, zeigt die Schwächen des politischen Systems ebenso auf wie die Auswirkungen des ungebremsten Kapitalismus. Michael Moore gelingt hier eine seltene Mischung aus knallhartem politischen Buch und witziger Satire, die niemanden gleichgültig läßt. Aus dem Amerikanischen von Heike Schlatterer, Michael Bayer, Helmut Dierlamm, Norbert Juraschitz.
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Beschreiben wir erst einmal eine wunderbare Szene aus Michael Moores Film "Bowling for Columbine", der nahezu zeitgleich zu seinem Buch "Stupid White Men...and Other Sorry Excuses for the State of the Nation!" in die deutschen Kinos kommt: Michael Moore geht auf das große Anwesen in Beverly Hills, Hollywood, zu, wo er heute einen Termin hat, verdammt früh um 8.30 Uhr am Morgen. Einen Gesprächstermin mit Charlton Heston, dem Schauspieler, dem vielfachen Helden, dem Weltstar. Und dem Präsidenten der NRA, der National Riffle Association. Mr. Heston sitzt im hölzernen Regiestuhl, rings herum Heston-Plakate, Heston-Auszeichnungen. Ein Zimmer einer Ikone, umringt von Insignien des Erfolgs. Michael Moore kommt schnell zur Sache, hat er diesen Termin ohnehin nur bekommen, weil er (angeblich) selbst Mitglied der NRA ist und über Waffen einen schönen, netten Dokumentarfilm drehen wolle. Doch die Fragen von Moore mag Herr Heston nicht, Fragen nach dem massaker an der Columbine-highschool vom 20. April 1999, nach dem sich Mr. Heston genötigt sah, in Columbine mit seiner NRA einen Event zu veranstalten - eine perfide Geschmack- und Taktlosigkeit, wie Moore findet. Doch Mr. Heston versteht nicht, das sei schon zuvor geplant gewesen, oder halt, oder doch erst danach?! Und warum, warum um alles in der Welt nur in Amerika jährlich über 11.000 Menschen erschossen werden, während doch Länder wie England oder Deutschland eine auch nicht unblutige Vergangenheit hätten? Mr. Heston versteht abermals nicht. Aber, aber die USA seien ein Land mit brutaler Vergangenheit, man müsse sich hier schützen. Zu den anderen Ländern könne er nichts sagen. Dann steht er auf und geht, lässt Moore einfach sitzen.
Nur eine von vielen Sequenzen aus Michael Moores "Bowling for Columbine". Viele andere gäbe es zu beschreiben, die nicht weniger eindrucksvoll und beklemmend und nachdenklich stimmend sind. Manchmal, da lacht man auch in Moores zynisch-humoresk-bitterer Doku. Es ist ein Lachen, das einem stets im Halse stecken bleibt, und Fassungslosigkeit stellt sich ein angesichts so vieler stupider Äusserungen. In Cannes wurde dieses Jahr erstmals nach 46 Jahren ein Dokumentarfilm im Wettbewerb aufgeführt, und es war eben die neue Arbeit des US-Dokumentarfilmers Michael Moore, der zuvor schon mit sozialkritischen Filmen wie "Roger & Me" (1989) und "The Big One" (1997) internationale Erfolge erzielte. Für "Bowling for Columbine" gab es denn auch völlig zu Recht den "Spezialpreis der Jury".
Moores Buch "Stupid White Men", dessen Untertitel der deutsche Piper Verlag populistisch-verfälschend umwandelte in "Eine Abrechnung mit dem Amerika unter George W. Bush", dieses Buch ist genauso lesenswert wie der Film sehenswert ist. Ein Buch voller Wahrheiten, voller erschreckender Wahrheiten, bei deren Lektüre es einem zuweilen ganz anders wird. Buch und Film, man kann sie völlig getrennt voneinander betrachten, dennoch gehören sie irgendwie auch zusammen, machen Moores bissig-kritischen Blick auf sein Amerika, das er nach wie vor auch liebt, erst rund. Zusammen erscheinen sie wie ein organisches Ganzes.
Es ist ein Buch voller Daten, Zahlen und Fakten, die man mitunter am liebsten nicht gelesen haben mag. Und auch ein Brief an George W. Bush ist eines der Kapitel, in dem Moore alles auflistet, was Bush bereits in seiner bisherigen Amtszeit verbockt, verhindert oder veranlasst hat. Haarsträubende Dinge stehen auf dieser seitenlangen Liste, etwa horrende Kürzungen im Bundeshaushalt für Kultur, oder die Nicht-Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls, das 178 Staaten unterzeichnet haben, oder die 50-prozentige Kürzung der Forschung nach erneuerbaren Energiequellen. Auch sind noch einmal Hintergründe zur Wahl nachzulesen, und umso bitterer mag es da erscheinen, dass der eigentliche Präsident Al Gore heißt. Vor die Einleitung hat Moore eine Äusserung von George W. Bush gesetzt, die er dem schwedischen Premierminister gegenüber machte, nicht bemerkend, dass noch eine Fernsehkamera lief: "Irre, dass ich gewonnen habe. Ich trat an gegen Frieden, Wohlstand ? und gegen den Amtsinhaber".
Buch und Film - sie sollten Pflichtprogramm an Amerikas Schulen werden und George W. Bush in einer Privatvorführung respektive -Lesung im Oval Office gezeigt werden. Sozusagen Michael Moore im Doppelprogramm.
MfG Willi
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