Eine Stadt denkt heute
1. Eine Stadt denkt heute Bankerslast 04.12.02 08:54 an die Geschehnisse vom 4.12.1944 / v. Historiker Jörg Friedrich
Das Grauen und seine mysteriöse Anziehungskraft
Alliierter Bombenterror, Vertreibung 1945 - deutsche Historiker und Schriftsteller nehmen lange vernachlässigte Aspekte der NS-Epoche auf. Fast sechzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs scheint es kein Tabu mehr, die Deutschen auch als Opfer der damaligen Kriegsgegner ausführlich zu würdigen. Um die deutsche Täterrolle kümmern sich derweil andere - mit kaum nachlassender Intensität.
Sie starben unter Trümmern, erstickten im Luftschutzkeller, kamen im Feuersturm auf den Straßen um, wurden als Leichen, auf Puppengröße zusammengeschmolzen, geborgen. Grauenhafte Szenen - die Deutschen als Opfer des Bombenkriegs.
Alles schon hundertmal erzählt? Gelesen? Gefilmt? Mitnichten. Kleinere Städte, deren Bombardierung vorher nie oder kaum erwähnt wurde, listet der Berliner Historiker Jörg Friedrich in seiner Gesamtschau "Der Brand" akribisch auf - von Aachen bis Zerbst.
Daneben werden die großen apokalyptischen Infernos wie Dresden und Hamburg breit beleuchtet, aber auch der Heilbronner Schreckenstag des 4. Dezember 1944, "ein pures Zivilmassaker" (Friedrich) mit annähernd 7000 Toten, findet seinen Niederschlag.
"Die Lex Churchill besagt, Industrie ist Schlachtfeld, das ist ein bequemer Operationsradius. Heilbronn war Weinfeld und wurde verbrannt, weil dort Menschen lebten", schreibt Friedrich. Für ihn ist der damalige Bombenkrieg gegen Zivilisten ohne Wenn und Aber ein Kriegsverbrechen, zumal er noch ausgeweitet wurde, als die militärische Entscheidung längst gefallen war.
Auf 25 Millionen Zivilpersonen, meist Frauen, Kinder und Alte, fielen über eineinhalb Million Tonnen Spreng- und Brandbomben. Friedrich beziffert die Gesamtbilanz auf 600 000 Todesopfer. "Früher erschien mir die Bombardierung Deutschlands als gerechte Antwort auf den Holocaust der Nazis", sagt der Autor.
Inzwischen habe er seine Auffassung geändert: "Bis zum Zweiten Weltkrieg war es nämlich allgemeiner Konsens, dass die Massakrierung der Zivilbevölkerung rechtswidrig ist."
Dem 58-jährigen Historiker, als Mitverfasser der "Enzyklopädie des Holocaust" ohnehin unverdächtig, geht es nicht um Aufrechnung gegen die NS-Untaten, die ja ungleich mehr Opfer forderten.
Und doch reiht er sich ein in eine jüngere intellektuelle Tendenz, die von einseitiger Fixierung auf die deutsche Täterrolle Abstand nimmt. Stichwort Vertreibung - Günter Grass, der im Frühjahr seinen Band (" Im Krebsgang") über die Versenkung der mit Flüchtlingen prall beladenen Wilhelm Gustloff durch russische Torpedos vorlegte, wollte die Thematik nicht länger den Rechten und den Vertriebenen-Verbänden überlassen.
Sein Schriftsteller-Kollege Martin Walser wiederum kämpfte schon vor drei Jahren gegen die dominante political correctness, als er vor der "Auschwitz-Keule", dem Missbrauch mit der Erinnerung an deutsche Schuld, warnte.
Wird damit ein jahrzehntelanger Schuldkomplex auch bei den Intellektuellen abgelegt? Wagen Deutsche sich wieder in die Anklägerrolle? Es seien die Menschenrechte schlechthin, denen heute wieder eine größere Bedeutung zukäme, auch in historischer Perspektive, urteilt "Zeit"-Feuilletonist Thomas E. Schmidt in seiner Besprechung des Grass'schen Gustloff-Buchs.
So dienten Menschenrechtsverletzungen auch vor drei Jahren der rot-grünen Bundesregierung als Begründung fürs Mitmachen im Kosovo-Krieg. Die Minister Fischer und Scharping erinnerten seinerzeit alle Kriegsgegner auch an Auschwitz.
Ebenso in diesen Rahmen passt, dass von deutscher Seite vergleichsweise hartnäckig darauf bestanden wird, dass Tschechien die Benes-Dekrete, die seinerzeit die Vertreibung legitimierten, für nichtig erklären möge, da sie mit EU-Rechtsnormen nicht vereinbar sind.
Dass sich die Deutschen freilich nunmehr, in der historischen Betrachtung, vom Stigma des "Tätervolks" entfernen, verhindert schon das Faszinosum des Bösen, sprich die breite Kommerzialisierung der NS-Untaten in Wort und Bild, im In- wie im Ausland.
Denn nach wie vor ist es nicht die Ausrottung der Indianer in Nordamerika, nicht der Völkermord der Türken an Armeniern im Ersten Weltkrieg, nicht Stalins, nicht Pol Pots Mord am eigenen Volk, sondern Auschwitz, das Jahrtausendverbrechen, das das Grauen schlechthin vorrangig thematisiert. Und es sind Hakenkreuze und schwarze SS-Uniformen, die als Symbole so scheußlich-trefflich zu unterhalten vermögen.
Kein grauer November vergeht, ohne dass vor allem das öffentlich-rechtliche Fernsehen verschiedene Beiträge über die NS-Zeit sendet. Ob Hitlers Sekretärin, ob die SS, ob "Mythos Rommel", es wird dokumentiert und aufgeklärt, als hätte es die öffentliche " Aufarbeitung", besonders im Gefolge der 68er-Generation, nie gegeben. Vor allem ZDF-Chefhistoriker Guido Knopp ist es, der sich eine offensichtliche Marktlücke zu Nutze gemacht hat. Die Quoten geben ihm recht - allein sieben Millionen Zuschauer sahen seine Reihe " Hitlers Helfer".
Doch mit so viel geballter Ladung aus den düsteren Jahren ecken die Geschichts-Macher auch an. So beklagte sich vor kurzem der Schauspieler Ulrich Mühe: "Ich habe mit diesem showgerechten Aufarbeiten von Geschichte meine Schwierigkeiten." Knopp ficht solche Kritik nicht an. "Die Dimension des Grauens sichtbar machen" lautet ein Anliegen des promovierten Geschichtsprofessors.
Doch das so reichhaltige historische Deutschlandbild verengt sich dabei allzu leicht auf jene zwölf dunklen Jahre von 1933 bis 1945. Diese Gefahr besteht erst recht im Ausland. Das Paradebeispiel gibt Großbritannien. Selbst in den größten Londoner Buchhandlungen stehen über deutsche Geschichte meist nur Bücher über die Nazis.
Immerhin, Jörg Friedrichs neues Werk über den Bombenterror der Alliierten hat auch auf der Insel schon Aufsehen erregt. Medien und Historiker spitzen es auf die Frage zu, ob der damalige Premierminister Winston Churchill mit den Bombenangriffen nicht doch Kriegsverbrechen begangen hat.
Der allgemeine Tenor lautet: nein. Immer noch herrscht die Auffassung vor, mit den Flächenbombardements habe man den Krieg verkürzt. Das offizielle Großbritannien hat sich ohnehin nie entschuldigt. Und was Churchill angeht: Erst vor wenigen Tagen wurde er in einer Umfrage des Rundfunksenders BBC zum "größten Briten aller Zeiten" gewählt.
Info: Jörg Friedrich: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945. Propyläen, 592 Seiten, 25 Euro
04.12.2002
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