Pervers
K.F. Man weiß nicht, was ärgerlicher ist: daß ausgerechnet das terrorerprobte Libyen zum neuen Vorsitzenden der UN-Menschenrechtskommission gewählt worden ist oder daß sich die Europäer bei der Abstimmung komplett der Stimme enthalten haben - aus Angst, die afrikanische Staatengruppe könnte im Falle eines negativen Votums "Rache" nehmen? Es ist nichts Neues, daß dieser Kommission über die Jahre hinweg immer wieder Staaten angehört haben, welche die Menschenrechte als Schnickschnack und westliches Einmischungsinstrument abtaten, dafür um so größere Erfahrung im Schikanieren, Foltern und Unterdrücken hatten (und haben). Daß jetzt aber ein Bock zum Obergärtner bestellt wurde, ist in seiner Frivolität nicht zu überbieten - und die Europäer ducken sich feige weg. Man hat noch das schadenfrohe Gelächter in den Ohren, als Amerika im Mai 2001 aus ebendieser Kommission herausbugsiert worden war. Das war damals zwar als Strafe für Bushs Unilateralismus gedacht. Aber als Triumph für die Sache der Menschenrechte ließ sich der Schritt schwerlich feiern. Die Vergabe des Vorsitzes an Libyen dagegen ist schlicht eine Perversion. Die Staaten Afrikas, die sie, vielleicht in Erwartung finanzieller Belohnung, betrieben haben, praktizieren die zweifelhafteste Art von Dritte-Welt-Solidarität.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.01.2003, Nr. 17 / Seite 10
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