Natürlich wurden die Aktionäre betrogen, vermutlich von Wirecard selbst (auch wenn das rechtlich natürlich noch offen ist). Und ja, auch die deutschen Aufsichtsbehörden haben sich blamiert, genauso wie die Wirtschaftsprüfer. Es ist aber eben auch so, dass die Betrüger Leute brauchten, die betrogen werden konnten, ja, betrogen werden wollten, eben weil sie zumindest teilweise gierig und verblendet waren.
Es gab genügend Warnzeichen. Eigentlich steht im KPMG-Bericht alles drin - vor allem dann, wenn man sich bewusst ist, dass KPMG sicher aus rechtlichen immer kurz davor Halt machen musste, Wirecard offen zu beschuldigen. Wer keine Zeit hat, solche Berichte zu lesen und sich mit der Materie zu beschäftigen, sollte vielleicht keine Einzelaktien besitzen, sondern eher auf ETFs setzen.
Du sprichst vom kleinen Mann. Genau dieses Narrativ wurde aber auch hier missbraucht. Denn es war ständig die Rede von einem soliden deutschen Unternehmen und aufrichtigen, in erster Linie deutschen Kleinaktionären, die gegen angelsächsische Hedgefonds, Leerverkäufer und Finanzjournalisten standen. Schon diese Entgegensetzung war aber falsch, denn hätten die Kleinaktionäre besser nachgedacht, hätten sie durch die Arbeit etwa der Financial Times erkennen können, dass sie sich nicht auf die Seite von Betrüger stellen sollten. Als ich vor Wochen anmerkte, dass Leerverkäufer auch eine wichtige Funktion bei der Kontrolle von Blasen haben, wurde ich mit schwarzen Sternchen versehen. Die Leute wollten nicht hören, also mussten sie fühlen.
Das nächste Problem ist, dass einige Wirecard-Aktionäre offenbar die Grundregeln der Börse nicht eingehalten haben. Sie haben nicht ausreichend diversifiziert, und sie haben selbst dann nicht verkauft, als die Botschaften sehr negativ waren. Selbst jetzt ist fühlbar, wie sehr einige noch an der Firma hängen und immer noch glauben, dass die Betrüger woanders sitzen.
Von daher muss man die Sache differenziert sehen. Wenn hier einer Haus und Hof verzockt hat, tut mir das leid. Und ja, die Aktionäre wurden betrogen. Es ist aber nicht so, dass die Aktionäre selbst keine Verantwortung trügen. Das sage ich als jemand, der bis Donnerstag auch Wirecard-Aktien besessen hat, wenn auch der Schaden für mich glimpflich war. Da ich die Welt nicht wesentlich verändern kann, schaue ich primär darauf, was ich selbst besser machen kann - und da sind mir einige Dinge klar geworden, die ich hätte tun müssen bei einem so spekulativen Investment.
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