Notbremse fürs Aktiendepot Ordern mit Limits Stopp-Marken können Anleger vor Verlusten schützen, aber nur, wenn sie richtig gesetzt und ständig beobachtet werden / Von Silvia Liebrich
Keine Zeitung, kein Fernsehen, keine lästigen Telefonanrufe ? so stellen sich viele Erholungssuchende die schönsten Tage im Jahr vor. Für so manchen Anleger mit riskanten Aktien im Depot kann die Abgeschiedenheit im Urlaub aber auch zum Problem werden, wenn Kurse plötzlich einbrechen. Gegen böse Überraschungen nach dem Urlaub wappnen sich daher immer mehr Anleger mit so genannten Stopp?Loss-Orders, einer Art automatischen Notbremse, für den Fall, dass die Papiere kurzfristig dramatisch an Wert verlieren. Fällt eine Papier unter ein bestimmtes Limit, verkauft die Bank die Aktie sofort und ohne Rücksprache.
Doch dieser Automatismus zur Eindämmung von Verlustrisiken hat auch seine Tücken, wie ein Beispiel zeigt: Anleger Holger Paul kauft Ende Juni Aktien zum Kurs von 67 Euro je Stück, im Gesamtwert von rund 10 000 Euro. Ein Anlegermagazin hatte die am Neuen Markt in Frankfurt notierten Titel als Schnäppchen, allerdings nicht ganz ohne Risiko, gepriesen. Da Paul kurz nach dem Kauf für vier Wochen in die Ferien fahren will, sichert er seine Neuerwerbung mit einer Stopp-Loss-Order gegen einen möglichen Kursrutsch ab. Er beherzigt dabei die Empfehlung des Magazins, den Stopp bei 55 Euro zu setzen. Er beauftragt also seine Bank, beim Erreichen dieser Marke, die Papiere sofort zu verkaufen. Der gefürchtete Fall tritt nur wenige Tage nach Urlaubsantritt ein, der Kurs fällt rapide. Das Limit wird erreicht und die Bank verkauft. Es gelingt ihr aber erst, die Papiere bei einem Kurs von 50 Euro abzustoßen. Paul macht bei dem Geschäft unter dem Stich also einen Verlust der damit 750 Euro höher ausfällt als ursprünglich einkalkuliert. Noch mehr ärgert ihn, dass die Papiere wenig später ein Rekordhoch bei 80 Euro erzielen.
?Stopp-Loss-Orders sind nicht unproblematisch?, warnt Stefan Bickelhaupt, stellvertretender Leiter der Handelsüberwachung an der Franfurter Börse. Er beobachtet schon seit geraumer Zeit, das diese Form der Kursabsicherung immer häufiger auch von privaten Investoren betrieben wird, vor allem bei Aktien mit großen Kursschwankungen wie etwa Titeln des Neuen Marktes. Kritisch wird es nach seinen Erfahrungen gerade dann, wenn viele Investoren die Verkauf auslösende Stopp-Marke bei einem Titel an derselben Stelle setzen. Er begründet dieses Phänomen unter anderem damit,dass viele Anlegermagazine und Börsenbriefe inzwischen bei Aktienempfehlungen die Stopp-Marken gleich mit angeben. ?Wenn sich viele Investoren daran halten und dieselbe Grenze angeben, kann es zu richtigen Verkaufswellen kommen.? Dies kann jedoch leicht vermieden werden, indem der Stopp grundsätzlich etwas unterhalb der empfohlenen Marke und bei ungeraden Zahlen gesetzt wird, da die Fachzeitschriften meist leicht eingängige Kurse nennen.
Profis drücken Kurse
Auch Christoph Metzger von der Baden-Württembergischen Bank in Stuttgart rät zur Vorsicht: ?Viele Anleger sind sich nicht im Klaren, dass die Profis wissen, wo die Stopps liegen.? Die Experten drücken dann den Kurs unter diese Marke, damit sie sich günstig eindecken können. Ärgerlich ist dies besonders dann, wenn der Kurs nach der kurzfristigen Delle wieder steil nach oben geht. ?Es gibt Leute, die haben am Neuen Markt auf diese Weise eine Menge Geld verloren,? meint Metzger. Ein Fachmann könne Vorgänge dieser Art durch ständige Marktbeobachtung erkennen und entsprechend reagieren, erläutert er. ?Wer aber nicht ständig am Ball ist und rechtzeitig die Stopps herausnimmt, kann Pech haben.?
Über das Setzen der technisch richtigen Stopp-Marken streiten sich die Finanzmarkt-Gelehrten. In der Regel werden diese zwischen zehn und 30 Prozent unter dem Kaufkurs gesetzt. Viele Profis ziehen bei der Wahl der richtigen Marke gern die Charttechnik zu Rate. Auf Basis von Vergangenheitswerten werden dabei Berechnungen angestellt, mit dem Ziel, künftige Trends zu erkennen. Der Erfolg dieser Methoden ist jedoch umstritten, zuverlässige Vorhersagen über künftige Entwicklungen gelingen auch damit nicht. Rainer Kloppert, Portfolio-Manager bei der Vermögensverwaltung der WestLB in Düsseldorf, hält deshalb nicht viel von dieser Technik: ?Das ist kein Allheilmittel.?
Beim Setzen der richtigen Marke sollten Anleger vor allem die Stärke der Kursausschläge in der Vergangenheit berücksichtigen. Je stärker die Volatilität, desto tiefer sollte die Marke unter dem Einstiegskurs gesetzt werden. Bei deutschen Finanztiteln etwa, die sich verglichen mit anderen Dax-Titeln relativ stabil entwickeln, reicht es nach Ansicht der Experten, die Marke etwa zehn Prozent unterhalb des Einstiegskurses zu setzten. Bei Neuen-Markt-Werten, bei denen Kursschwankungen zwischen 20 und 30 Prozent nichts ungewöhnliches sind, sollte der Stopp dagegen nicht zu knapp liegen, sonst droht Gefahr, ungewollt aus dem Markt zu fliegen.
Nichts für schwache Nerven
Einen Unterschied macht es auch, ob man die Verkaufsorders über Xetra, das elektronische Handelssystem der Deutschen Börse AG in Frankfurt, platziert oder über den maklergestützten Präsenzhandel der Regionalbörsen. In Xetra werden die Aufträge vom Computer nach Prioritäten abgearbeitet. Das heißt, höhere Limits haben Vorrang vor niedrigeren. Bei Aufträgen mit derselben Stopp-Marke gilt: wer zuerst kommt, malt zuerst. Wer in dieser Reihe hinten ansteht, muss dann eventuell einen schlechteren Kurs akzeptieren.Im Präsenzhandel wickelt dagegen ein Händler den Verkauf ab. Er sammelt alle eingegangenen Orders und ermittelt dann einen Kurs, zu dem alle Aufträge abgewickelt werden.
?Es ist grundsätzlich schwer, automatische Mechanismen laufen zu lassen?, meint Franz-Josef Leven, Sprecher des Deutschen Aktieninstituts (DAI). Instrumente wie Stopp-Loss-Orders sind nach seiner Ansicht nur bedingt geeignet, um das Aktiendepot urlaubsfest zu machen. Wer kritische Kandidaten im Depot belässt, sollte ? so sein Rat ? Verluste verkraften können. Weniger nervenstarken Anlegern rät er, mit Risiken behaftete Aktien vor dem Urlaub zu verkaufen, kurzfristig in Fest- oder Tagesgeld zu gehen und erst nach dem Urlaub wieder einzusteigen.
Quelle: SZ vom Wochenende
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