KIM SCHMITZ
Jenny E. der New Economy
Models, Partys, schnelle Autos: Kim Schmitz macht mit immer neuen Prahlereien auf sich aufmerksam. Jetzt will der Ex-Hacker den Pleitekandidaten Letsbuyit.com retten - sagt er jedenfalls. Selbstdarstellung im Web: Mein Schiff, mein Strand, mein Modell Bescheidenheit ist Kim Schmitz, 27, so fremd wie Rohkostsalat. Der Zwei-Meter-Mann von 150 Kilogramm, der Ketchup gern aus der Flasche trinkt, hat sein Ziel klar vor Augen: "In zehn Jahren will ich zu den reichsten Männern der Welt gehören." Schon heute lebt der Ex-Hacker (Pseudonym: "Kimble") so, als habe er diese Mission längst erfüllt: Mit dem Speedboot düst er die Küste Thailands entlang, im Geländewagen "Hummer" kreuzt er durch die Wüste Arabiens, und in Deutschland rast der gebürtige Kieler im getunten Mercedes S-Klasse (Kennzeichen: KI-M 250) über die Autobahn, die Tachonadel am Anschlag.
Schmitz liebt es aufzufallen, und dafür lässt er die Grenzen des guten Geschmacks souverän hinter sich. Gerade erst behelligte er Leute wie Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff und EM.TV-Gründer Thomas Haffa mit Urlaubs-E-Mails, auf denen zwei halbnackte Männer auf einer Luxus-Yacht übereinander herfallen. Für keine Peinlichkeit ist sich "Deutschlands Großmaul Nr. 1" ("Bild") zu schade, Hauptsache, sie bringt ihn ins Gespräch: Schmitz profiliert sich als die Jenny Elvers der New Economy.
Wo er hinkommt, lässt er es krachen - und die vernetzte Welt darf daran teilhaben. Rund 300 Fotos auf seiner Homepage präsentieren ihn, wie er sich am liebsten sieht - im Mittelpunkt, umgeben von Stars und noch mehr Sternchen: Kim Arm in Arm mit der Miss World 2000, Kim mit Rapper Smudo beim Formel-1-Rennen in Monaco, Kim in der Karibik auf der Yacht "Amnesia", im bordeigenen Pool fröhlich plantschend mit "Teppich-Luder" Janina, der Ex-Gespielin des Pop-Millionärs Dieter Bohlen.
Etwa fünf Millionen Mark koste ihn sein dekadenter Lebensstil im Jahr, sagt Schmitz und fügt lässig hinzu: "Also gar nicht so viel." Woher das Geld kommt? Er habe am Börsenhype prächtig mitverdient: "Ich bin eben ein smarter Investor."
Beseelt von diesem Glauben kündigte Schmitz kürzlich an, die Internet-Firma Letsbuyit.com in letzter Minute vor der sicheren Pleite zu bewahren. Das Unternehmen hatte es geschafft, in sechs Monaten 66 Millionen Euro zu verbrennen.
Plötzlich standen dem angeschlagenen Online-Händler 4 Millionen Euro zur Verfügung - genug, um das Insolvenzverfahren einstweilen zu stoppen; 1,2 Millionen davon stammten von ihm, sagt Schmitz. Doch das ist nicht alles: Er beabsichtige, behauptet Schmitz, über seine Beteiligungsfirma mit dem folgerichtigen Namen "Kimvestor" weitere 40 Millionen Euro in Letsbuyit.com zu investieren. Denn das Firmenkonzept - die Bündelung von Kundenwünschen, um den Preis für eine Ware zu drücken - sei "einfach genial".
Die Börse jedenfalls reagierte wie entfesselt. Der Kurs von Letsbuyit.com stieg nach der Ad-hoc-Mitteilung vom Donnerstag vorvergangener Woche um fast 200 Prozent, rund 90 Millionen Papiere wurden gehandelt, der größte Tagesumsatz in der Geschichte der deutschen Börse.
Jetzt argwöhnen Aktionäre und Börsianer, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen sein mag. "Wird hier gezielt ein Kursfeuerwerk für die unter einem Euro notierte Aktie gezündet?", fragt das "Handelsblatt" misstrauisch. Die "Börsen-Zeitung" mutmaßt, dass bei den Sprüngen "nur Insider und Zocker am Werk gewesen sein" können.
Dolce Vita: Kim Schmitz (bekleidet) im Kreise seiner Vertrauten Auffällig ist in der Tat, dass der Run auf die Papiere schon einen Tag, bevor die Nachricht publik wurde, eingesetzt hatte. Innerhalb von zwei Stunden - zwischen 16 und 18 Uhr - hatte sich der Wert von 15 Cent auf 33 Cent mehr als verdoppelt.
"Es hat sich eben schnell rumgesprochen, dass ich der Rettungsanker bin", meint Schmitz. Er jedenfalls habe zu dem Zeitpunkt keine Aktie gekauft, beteuert er: "Ich achte darauf, ein sehr legales Leben zu führen."
Alles Vergangenheit: Betrug, Bandenhehlerei und Missbrauch von Titeln
Das war nicht immer so. Schon als Teenie begriff Schmitz, dass man mit einem Amiga-Homecomputer weit mehr machen kann als nur "Pac-Man" spielen. Angeblich drang er in die Sicherheitssysteme von Nasa, Pentagon und Citibank ein, bald umgab ihn die Aura eines Computergenies. In Hacker-Kreisen wird diese Darstellung allerdings heftig angezweifelt.
Lang ist die Liste der Delikte, für die Schmitz im März 1998 vom Landgericht München zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wurde, darunter Betrug, Bandenhehlerei und Missbrauch von Titeln. So hatte er sich Calling-Card-Nummern von US-Telefongesellschaften illegal besorgt und verkauft. Auch ließ er sich eine Kreditkarte auf den Namen Dr. Kim Schmitz ausstellen, obwohl er nie eine Hochschule besucht hatte.
Das sei alles kein Geheimnis, sagt er heute gequält, das Urteil könne jeder im Internet nachlesen. Inzwischen habe er dieser Vergangenheit abgeschworen, nun will er seriöser Geschäftsmann sein.
Dazu gründete er die Firma Data Protect und später, angeblich im Januar 2000, die Beteiligungsgesellschaft Kimvestor AG, die er nun innerhalb von 18 Monaten an die Börse bringen will. Tatsächlich aber verfügt die neue Firma laut Amtsgericht München nicht einmal über eine Handelsregisternummer.
Nach Auskunft des Amtsgerichts wurde erst vorigen Mittwoch "der Vorgang eröffnet", die Firma ins Handelsregister einzutragen, bislang existierten nur Name und Adresse. Schmitz dagegen behauptet, er habe schon im Dezember die Eintragung beantragt und zeigt sich verwundert.
Wundern müssen sich auch die Anleger, die in der Hoffnung auf den smarten Investor Letsbuyit-Aktien kauften. Denn vieles von dem, was Schmitz über sein Unternehmen behauptet, lässt sich nicht überprüfen - oder erweist sich als falsch.
So waren vergangenen Mittwoch auf der Kimvestor-Website noch drei hochrangige Manager als Aufsichtsräte ausgewiesen: der Dresdner-Bank-Vorstand Gerhard Barth, der DaimlerChrysler-Manager Dieter Haban und Gerrit Huy, die bei Kirch Pay TV in der Geschäftsführung für Technik und Strategie zuständig ist.
Die Kirch-Managerin Huy erklärt jedoch, sie habe nur eine Anfrage von Schmitz bekommen, sich aber noch nicht entschieden. Auch bei Daimler-Mann Haban wurde lediglich angefragt, er lehnt das Angebot ab. Dresdner-Vorstand Barth bestätigt zwar, dass er im Sommer 2000 Schmitz mündlich versichert hat, in den Aufsichtsrat einzutreten, falls die Gremien seiner Bank zustimmen. Doch diese Zustimmung, heißt es aus der Bank, wird es nicht geben.
Am Freitag war von dem angeblichen Aufsichtsratstrio auf der Website nichts mehr zu lesen, die Seite ist gelöscht.
Solche Ungereimtheiten hindern Schmitz aber nicht daran, zehn Prozent der Kimvestor-Anteile vorbörslich zum Verkauf anzubieten, Mindesteinlage: 50 000 Euro. Ein Vertragsformular mit der Bankverbindung von "Kontoinhaber: Kim Schmitz" steht im Internet bereit, "eine Vielzahl von Verträgen" sei schon eingegangen, behauptet er.
Auf der Netzseite wird der Firmenwert von Kimvestor auf 200 Millionen Euro taxiert, innerhalb von fünf Jahren werde das Unternehmen eine Milliarde Euro wert sein. Mit diesen dürren Zahlen müssen sich potenzielle Investoren begnügen, jeglicher Hinweis auf Gutachten, die diese Einschätzung stützen, fehlt dort. "Bei meinem Bekanntheitsgrad ist es gar nicht erforderlich, großen Aufwand zu betreiben", meint Schmitz.
Zudem gebe es ja noch ein Gutachten der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young, das den Wert allein seiner Tochterfirma Monkey mit 127 Millionen Mark veranschlage. Auch für die beiden Minderheitsbeteiligungen von Kimvestor - die Internet-Sicherheitsfirma TÜV Data Protect und MegaCar, die Autos mit Internet-Zugängen ausrüstet - verfüge er über Wertgutachten, zeigen will Schmitz sie jedoch nicht.
Hang zum Größenwahn
Lieber preist er seine Töchter. Für das System Monkey, das es Mobiltelefonierern erlaube, per Handy einzukaufen, habe er den Weltmarkt im Visier, er sei bereits im Gespräch mit einer großen deutschen Bank. Dass ein Wettbewerber wie Paybox mit einer mobilen Bezahllösung längst am Markt ist, stört Schmitz nicht.
Einige Computerexperten attestieren Schmitz durchaus technische Brillanz, doch der zerstört manche Illusion mit seinem Hang zum Größenwahn. Laut Geschäftsplan soll Monkey 2004 mehr als 408 Millionen Dollar erwirtschaften - nicht Umsatz, sondern Gewinn nach Steuern. Im vergangenen Jahr machte die Firma noch 6,4 Millionen Dollar Verlust.
Die Aufsichtsräte nicht an Bord, die Firma in Gründung, die Geschäftsprognosen waghalsig: Schmitz ist ein Meister im Ankündigen von Dingen, die offenkundig - im positivsten Fall - noch nicht reif sind.
So wird auch sein Engagement für Letsbuyit.com allgemein skeptisch beurteilt. Woher die 40 Millionen Euro kommen sollen, darüber schweigt sich Schmitz jedenfalls aus. Nur so viel: Es seien nicht eigene Mittel, sondern Kapital von anderen, das er manage: "Das Geld ist da", versichert er.
Schmitz gibt sich genervt, dass er in diesen Tagen von allen Seiten angeschossen wird. Wenn jemand erfolgreich sei, so jammert er, werde das in Deutschland nur mit Neid und Missgunst quittiert. Man solle doch anerkennen, wenn jemand etwas auf die Beine stellen will, schimpft er.
Wie das funktioniert, verrät er auf der Kimvestor-Website. Wenn die "Start-up-Kiddies" nur seine zehn Gesetze ("E-Rulez") befolgten, dann bedeute das den Weg zum Erfolg.
Schmitz selbst scheint allerdings von der Regel Nummer eins, die dort steht, nicht besonders viel zu halten. Die lautet: "Don't talk too much" - rede nicht zu viel.
ALEXANDER JUNG, CHRISTOPH PAULY
|