Vom Winde gebläht von Ruth Fend und Claus Hecking (Hamburg)
Das Bietergefecht um den Windanlagenhersteller Repower hat den Aktienkurs in aberwitzige Höhen getrieben. Die Kurse anderer Energiefirmen klettern ebenfalls in atemberaubendem Tempo. Experten warnen bereits vor einer "Watt.com"-Blase.
Heiko Glücklich geht jetzt erst einmal feiern. An diesem Abend wird der Projektmanager des Windanlagenherstellers Repower mit seinen Kollegen die neu angemieteten Büros einweihen. Das Gebäude, das die Firma vor zwei Jahren in der Nähe des Hamburger Flughafens bezogen hat, ist bereits wieder zu klein. Die drei Stockwerke mit der geschwungenen Glasfront reichen hinten und vorn nicht mehr.
Glücklich ist bester Laune, die Geschäfte laufen besser denn je. Der 37-Jährige hat noch die Zeit miterlebt, als man 42 statt 38 Stunden pro Woche arbeiten musste, ohne Gehaltserhöhung. Jetzt werden die Zusatzstunden nachträglich bezahlt, mit Zinsen. Und das sind Peanuts gegen das Optionsprogramm auf Firmenaktien, das die Geschäftsführung noch in den Krisenjahren aufgelegt hatte. Die Gewinnbeteiligung ist Hauptgesprächsthema im Haus. Verständlich, denn Repowers Börsenwert hat sich seit Mai 2005 vervierzehnfacht. Allein in den vergangenen drei Monaten schoss der Kurs um 70 Prozent in die Höhe - weil sich zwei Konzerne um die Übernahme des Mittelständlers balgen.
Der rasante Aufstieg Repowers steht exemplarisch für die ganze Branche. Bieterkämpfe, die Klimaschutzdebatte, die Unsicherheit in der Energieversorgung und der hohe Ölpreis treiben die Aktienkurse von Anbietern alternativer Energietechnik in aberwitzige Höhen. An der Börse wird Repower mittlerweile mit 1,4 Mrd. Euro bewertet, obwohl das Unternehmen 2006 nur 459 Mio. Euro Umsatz machte und gerade 7 Mio. Euro Gewinn erwirtschaftete.
Noch stärker setzen Anleger auf die Sonnenenergie: Der Bonner Branchenstar Solarworld etwa hat seinen Aktienkurs in den vergangenen vier Jahren mehr als verhundertfacht und ist den Anlegern nun 3,5 Mrd. Euro wert. In den USA schwappt eine neue Welle der Euphorie durchs Silicon Valley, das einstige Epizentrum der New Economy. Böse Zungen sprechen im Zusammmenhang mit dem Run auf grüne Firmen bereits von "Watt.com" - in Anspielung auf die "Dot.com"-Internetblase, die zur Jahrtausendwende platzte.
Der Appetit der Investoren, zu denen längst auch Hedge-Fonds und Private-Equity-Häuser gehören, treibt die Kurse steil nach oben. Ende Januar bot der Atomkonzern Areva 105 Euro pro Repower-Aktie. Der indische Turbinenhersteller Suzlon hielt wenig später mit 126 Euro dagegen. Areva konterte mit 140 Euro, Suzlon erhöhte auf 150 Euro. Bis zum 4. Mai müssten die Franzosen dieses Gebot toppen, um weiter mitzupokern. Längst geht es nicht mehr um die Frage, ob diese Preise gerechtfertigt sind. "Das ist ein strategischer Preis", heißt es im Umfeld von Areva. "Hier geht es für beide Bieter darum, die Mehrheit zu bekommen."
Hype schwer nachvollziehbar
Analysten können den Hype kaum nachvollziehen. "Der gebotene Preis hat sich ein wenig von der Realität entkoppelt", sagte Jean-Michel Salvador von der Pariser Investmentbank Fideuram Wargny bereits nach Arevas 140-Euro-Gebot. Suzlon wurde von den Anlegern bereits abgestraft: Seit dem Einstieg ins Bieterrennen fiel der Aktienkurs um mehr als 20 Prozent. "Suzlon muss sich zu stark verschulden, um die Übernahme zu finanzieren", sagt Mehul Mukati, Analyst beim Broker Mumbai's Emkay, den Preisverfall.
Noch vor wenigen Monaten wären solche Bietergefechte undenkbar gewesen. Wer Windkraftanlagen und Solarmodule verkaufte, wurde allenfalls von Gutmenschen und Politikern gehätschelt. Investoren machten um Firmen, die auf regenerative Energien setzten, einen großen Bogen. Nur dank staatlicher Krücken konnten sich die Firmen auf den Beinen halten.
So ging es auch Repower. Erst eine Kapitalspritze der portugiesischen Martifer-Gruppe half den Hamburgern 2005 aus den roten Zahlen. Heute sind die Aussichten für sie und ihre Wettbewerber glänzend. Die Windbranche wächst global um 25 Prozent pro Jahr. "Das macht die Sache so spannend", sagt Repower-Chef Fritz Vahrenholt und ballt die Faust. "Wir werden als Unternehmen interessant."
Was den Vorstandschef so optimistisch stimmt: Windenergie lässt sich weitaus günstiger produzieren als etwa Solarstrom. Zudem kommen ihm die politischen Rahmenbedingungen zugute. Was Deutschland mit dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) vormachte, wird nun eifrig kopiert: Frankreich, Italien, Spanien, sogar Teile Indiens kaufen Windkraftproduzenten ihren Strom zu Garantiepreisen ab. De facto ist dies eine Subvention, die vom Endverbraucher getragen wird.
Die USA gewähren den Produzenten von Windenergie Steuervorteile - und locken so Investoren. Schon heute schreiben 20 Bundesstaaten einen Mindestanteil erneuerbarer Energien an ihrem Strommix vor. Nach den Präsidentschaftswahlen 2008, so hofft die Branche, könnte es sogar ein landesweites Ökostromgesetz geben. Und so geben Experten wie Andrea Bartello für den Windmarkt grundsätzlich Entwarnung. "Wenn es eine Blase gibt, dann nur bei einzelnen Deals wie Repower", sagt der Energiefachmann des Londoner Analysehauses New Energy Finance, "aber die Fundamentaldaten stimmen."
In der Solarbranche hingegen nähren die noch aberwitzigeren Aktienkurse die Furcht vor einem jähen Absturz. Vor allem im Silicon Valley boomt es derzeit wie verrückt. Der in San Jose ansässige Solarzellenhersteller Sunpower etwa wird an der Börse mit fast 4 Mrd. $ bewertet, dem 130-Fachen des Vorjahresgewinns.
Erinnerung an New Economy
Das erinnert an den Hype der New Economy - und ausgerechnet deren Veteranen schwelgen nun in einem neuen Rausch. John Doerr, Partner bei Kleiner Perkins Caufield & Byers und einer der einflussreichsten Vertreter der Venture-Capital-Branche, schwärmt: "Das könnte die größte wirtschaftliche Chance dieses Jahrhunderts sein. " Doerr war der Mann, der das Internet einmal als "größte legale Quelle von Wohlstand in der Geschichte" lobte.
Zwar versprechen die Unternehmer diesmal ein nicht ganz so rasantes Renditewachstum - schließlich geht es im Gegensatz zu früher nicht um virtuelle Geschäfte, sondern um physische Produkte wie Sonnenkollektoren. Doch diese Unterschiede machen die Anleger nicht bescheidener. "Die Leute investieren in Solar wie in Technologiefirmen und erwarten Renditen von 400 Prozent", sagt Jenny Chase, Solarexpertin bei New Energy Finance. "Dabei entsprechen die Wachstumsaussichten eher denen herkömmlicher Produktionsfirmen." Ein Indiz dafür, dass die Papiere der Solarenergiehersteller überbewertet sind.
Überdies kämpft die Solarbranche mit hohen Produktionskosten und der Abhängigkeit von Silizium, das zur Herstellung von Solarzellen benötigt wird. Zwar haben die Siliziumproduzenten massive Investitionen angekündigt, doch Lars Korinth, Solarstratege bei der HypoVereinsbank, mag daran nicht recht glauben. "Das ist ein sehr intransparenter Markt. Oft werden Investitionen angekündigt, die dann gar nicht in Angriff genommen werden."
Erschwerend kommt hinzu, dass Solarstrom ohne Subventionen noch immer nicht wettbewerbsfähig ist. Selbst im sonnigen Kalifornien kostet er doppelt so viel wie Elektrizität auf dem freien Markt. In Deutschland ist das Missverhältnis noch extremer: Das EEG garantiert den Betreibern von Solaranlagen eine Vergütung von 49 Cent je Kilowattstunde; an der Leipziger Energiebörse kostet die Kilowattstunde Strom gerade einmal 5,4 Cent. Das führt dazu, dass sich Hausbesitzer um die Kollektoren reißen und die Margen der Hersteller explodieren. Die Zeche muss der Stromkonsument zahlen.
Ein Kursumschwung droht der Branche, falls die Subventionen zurückgefahren werden. Vor allem in Deutschland: Alle vier Jahre wird das EEG neu verhandelt; in den kommenden Monaten steht eine neue Runde an. Angesichts der enormen Profite der Solarindustrie beginnen Politiker der Großen Koalition am Sinn der Förderung zu zweifeln. "Für die Fotovoltaik sehe ich in Deutschland keine Zukunft. Dafür haben wir zu wenige Sonnenstunden", sagt etwa CDU-Umweltexpertin Marie-Luise Dött. Auch in der SPD gilt das Gesetz nicht mehr als unantastbar.
Die Windbranche hingegen braucht sich weniger Sorgen zu machen. Sie arbeitet viel kostengünstiger als die Solarindustrie - und könnte schon bald ohne Subventionen auskommen. "In fünf Jahren wird Wind der Billigmacher im Strommarkt sein", prophezeit Repower-Chef Vahrenholt.
Sein Angestellter Glücklich ist da schon etwas vorsichtiger. Einst baute er selbst zwei Internet-Startups auf - und scheiterte. "Als ich bei Repower anfing, ging gerade die New Economy runter", erzählt er. Dann aber verdrängt er schnell die dunklen Erinnerungen. Gleich steigt die Party.
Aus der FTD vom 19.04.2007
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