Ich bin immer gern für sachliche Argumente zu haben, wieso ein Unternehmen operativ gut oder schlecht dasteht (auch zukunftsbezogen). Hättet ihr da ein bisschen mehr als "Das Unternehmen ist am Ende" und "Frustenius ist am Ende"? Ich kann gern damit anfangen: Positiv - Fresenius agiert in einem zukunftsträchtigen Markt, weil die Bevölkerung in den USA und Europa immer älter wird. Dann ist man breit aufgestellt, mit FMC, Kabi, Helios und Vamed. Damit wird Dialyse, parenterale Ernährung/Infusionen, Biosimilars, sowie stationäre Behandlungen, Reproduktionsmedizin, Altenpflege und Reha abgedeckt. Soweit so gut. Man arbeitet grundsätzlich profitabel und hatte 2021 einen Gewinn pro Aktie von 3,26 nach 3,06 im Jahr davor (KGV somit im einstelligen Bereich). Man schüttet seit Jahren steigende Dividenden aus (wenngleich auf niedriger Ausschüttungsbasis von ca. 25%) und gilt damit als Dividendenaristokrat.
Neutral - In der Bilanz haben wir per 30.6.22 ein Eigenkapital von ca. 29 Mrd. Euro bei einer Bilanzsumme von 76 Mrd. Euro, das sind nicht ganz 40%. Das ist nicht besonders viel, aber auch nicht besonders wenig. Den Anteilseignern der Muttergesellschaft steht aber nur knapp 20 Mrd. Eigenkapital zu. Der operative Cashflow ist gut positiv, aber der free Cashflow ist nicht sonderlich hoch.
Negativ - Die Summe des Goodwill in der Bilanz ist bereits über 30 Mrd. Euro. Das ist in etwa die Höhe des gesamten Eigenkapitals und übersteigt das Eigenkapital der Aktionäre der Muttergesellschaft bei weitem. Die Zinslast ist bereits über eine halbe Mrd. Euro im Jahr, was bei einer steigenden Zinsumgebung beträchtliche Zusatzkosten im Cashflow, und auch Impairments beim Goodwill in weiterer Folge haben kann und damit das Eigenkapital beträchtlich schmälern. Die steigende Nettoverschuldung ist auch sehr problematisch, vor allem auf extrem hohen Niveau (bereits über 26 Mrd. Euro). Durch Corona gab es eine Übersterblichkeit bei Dialysepatienten, die FMC nicht mehr als Kunden zur Verfügung stehen. Durch die große Abhängigkeit des Mutterkonzerns von FMC (höchste absolute Gewinne und Cashflows - Helios und Vamed sind bei den Cashflows fast zu vernachlässigen) besteht hier auch eine Gefahr für die Zahlen von Fresenius.
Mein persönliches Fazit daraus: Die Bilanzstruktur von Fresenius lässt zu wünschen übrig, besonders was die Verschuldung betrifft. Es wäre langfristig fast besser, die Dividenden zu senken bzw. auszusetzen, um die Verschuldung abzubauen. Die Dividenden-Aristokratie ist zwar nettes Beiwerk, aber sie scheint, sieht man den Kursverlauf der letzten Jahre, kein großes Kaufargument zu sein. Auf niedrigem Kursniveau ist Fresenius trotzdem kaufenswert, weil insbesondere die Tochter Fresenius Kabi ein Sicherheitspuffer ist. Langfristig sollte der Konzern auch in seinen Geschäftsfeldern auf eine gute Nachfrage treffen.
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