Aus der FTD vom 16.8.2001 www.ftd.de/liberty-media Telekom: Liberty Media kurz vor Vertragsabschluss Von Ulrike Sosalla, New York, und Andreas Krosta, Hamburg
Die US-Medienholding Liberty Media wird voraussichtlich innerhalb der nächsten drei Wochen den Kaufvertrag für sechs deutsche Regionalkabelnetze unterzeichnen, womöglich bereits nächste Woche.
Das sagte Liberty-Media-Vorstandschef Robert Bennett Dienstagabend während einer Telefonkonferenz zur Präsentation der Quartalszahlen. Damit übernimmt Liberty etwa 40 Prozent der TV-Kabelkunden der Deutschen Telekom und wird so zum wichtigsten Anbieter im deutschen Kabelmarkt.
Die Vertragsunterzeichnung war ursprünglich für die zweite Julihälfte geplant, wegen ungeklärter Detailfragen aber verschoben worden. Da Liberty wie alle Medienunternehmen derzeit unter der Werbeflaute und der skeptischen Haltung der Investoren leidet, betonte Bennett mehrfach, dass der Kabelkauf in Deutschland kein finanzielles Abenteuer werde. "Wir werden unser Engagement konservativ finanzieren, indem wir ausschließlich Bankkredite aufnehmen und keine hochverzinslichen Anleihen", kündigte er an.
Kürzer treten
Außerdem will Liberty bei der Aufrüstung der Netze kürzer treten als erwartet. Die Kabel sollen zunächst nur soweit digitalisiert werden, dass sie einige Fernsehprogramme mehr übertragen können und einen langsamen Rückkanal bieten, über den die Nutzer beispielsweise Filme bestellen oder per Fernbedienung einkaufen können. "Das soll in ein bis zwei Jahren im gesamten Netz implementiert sein", so der Liberty-Chef.
Die Investitionen von jährlich 500 Mio. Euro will Liberty überwiegend aus dem Cash Flow der Kabelgesellschaften finanzieren. Erst nach dieser Anlaufzeit will das US-Unternehmen die Kabel für die volle Leistungsspanne von über 100 digitalen Fernsehkanälen und schnellem Internetzugang aufrüsten.
Mit diesem Sparkurs will Liberty jene Investoren beruhigen, die fürchten, der Konzern könne sich in Europa ähnlich verheben wie das US-niederländische Kabelunternehmen UPC. UPC schleppt eine Schuldenlast von mehr als 8 Mrd. Euro mit sich herum und ist nur dank einer Finanzspritze von Liberty Media über 1 Mrd. Euro noch zahlungsfähig.
Liberty fusioniert gerade mit dem Mutterkonzern von UPC, dem US-Unternehmen United Globalcom. Die Transaktion soll spätestens im Oktober abgeschlossen sein. Bennett kündigte bereits an, dass er bei UPC eingreifen werde. "Wir arbeiten sowohl mit UPC als auch mit United Globalcom daran, die Bilanzstruktur zu verbessern. Da gibt es aber keine schnellen Lösungen, das ist ein langsamer Prozess."
Am Mittwoch war UPC-Chef Mark Schneider, Sohn des United Globalcom-Gründers Gene Schneider, zurückgetreten und hatte damit Platz für einen Nachfolger gemacht, der den Chefs von Liberty Media, vor allem dem mächtigen Unternehmensgründer John Malone, näher steht.
UPC hatte am Dienstag angedeutet, dass es wegen seiner Finanzprobleme gar die geplante Fusion mit dem deutschen Kabelnetzbetreiber Primacom abblasen könnte. Die Primacom-Aktionäre sollen zu Monatsende über die Zusammenlegung ihres Unternehmens mit der Kabelsparte von UPC abstimmen.
Stattdessen könnte nach Ansicht der Analysten von J.P. Morgan Liberty Media einspringen. "Wenn die Fusion mit UPC nicht zustande kommt, sehen wir es als das wahrscheinlichste Szenario, dass Liberty Media UPCs deutsche Beteiligungen kauft, möglicherweise gegen Bargeld."
Liberty käme ein solcher Tausch entgegen: Das Telekom-Kabelnetz reicht nur bei einem Drittel der angeschlossenen Haushalte bis in die Wohnung. In allen anderen Fällen endet es an der Grundstücksgrenze, die letzten Meter, die Ebene 4, gehören anderen Anbietern, oft Wohnungsbaugesellschaften, aber auch Firmen wie der am Neuen Markt notierten Primacom. Würde Liberty bei Primacom einsteigen, könnten die Amerikaner entscheidende Synergie-Effekte nutzen. Liberty-Chef Bennett hielt sich alle Optionen offen. "Es gibt eine Logik darin, die Ebene 3 und Ebene 4 zusammenzulegen. Wir werden sicherlich nach Gelegenheiten Ausschau halten, das zu tun, sei es durch Zukäufe, durch Joint Ventures oder durch andere Vereinbarungen."
Für die Kritiker von Liberty wäre ein weiterer Zukauf in Deutschland Wasser auf die Mühlen. Programmanbieter und Verbraucherschützer werfen dem Konzern vor, ein Monopol im deutschen Fernsehmarkt aufzubauen. Die Programmanbieter fürchten um ihre kostengünstige Einspeisung in die Kabelnetze, die Verbraucherschützer höhere Preise.
© 2001 Financial Times Deutschland
|