FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, warnt angesichts der angespannten Märkte für Rohöl vor einem Spritmangel in Europa. "Auf den Ölmärkten könnte es im kommenden Sommer eng werden", sagte Birol dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" laut Vorabmeldung. "Wenn die Haupturlaubssaison in Europa und den USA losgeht, wird die Treibstoffnachfrage steigen. Dann könnte es zu Engpässen kommen: etwa bei Diesel, Benzin oder Kerosin, besonders in Europa." Die europäischen Länder seien "nicht nur auf Rohöllieferungen von außerhalb angewiesen, sondern auch auf Importe von Ölprodukten", so Birol weiter. "Und da verhängen einige Exportländer wie China gerade erste Ausfuhrverbote; sie wollen ihre eigenen Verbraucher absichern."
Die aktuelle Energiekrise hält der IEA-Chef für "viel größer" als die Ölschocks der Siebzigerjahre - und sie wird nach seiner Einschätzung auch länger dauern. "Damals ging es nur um Öl", sagte Birol. "Jetzt haben wir eine Ölkrise, eine Gaskrise und eine Stromkrise zugleich."
Goldman Sachs hat seine Ölpreis-Ziel erneut angehoben und sieht jetzt im Hochsommer einen Preis von 140 Dollar nach zuvor "nur" 125 Dollar. Das politisch motivierte Überangebot seit Juni 2020 sei wieder vorbei.
Die hohe Volatilität an den Aktienmärkten belastet auch den Ölpreis. Folgt nach der Stagflation ein Konjunkturabschwung oder eine Rezession? Dann wird auch die Nachfrage nach Energie fallen. Auf der Angebotsseite wird jedoch der Rückgang von Lieferungen aus Russland den Preis stützen. Je nach Stärke der Hurrikans wird in den nächsten Wochen die Ölförderung und die Verarbeitung in der Karibik und im Süden der USA beeinflusst.