Kapital versus Arbeit
von J. Christoph Amberger in Baltimore
Die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank EZB stehen unverändert bei 2 %. Das Wachstum der Geldmenge M3 ? ein Barometer der zukünftigen Inflation ? liegt seit Mai 2001 über dem Zielkorridor. Außerdem: Die Immobilienpreis-"Inflation" lag 2004 in 3 Euro-Ländern über 5 %.
Diese überschüssige Liquidität könnte die Inflation beschleunigen, wenn sich das Wirtschaftswachstum wieder verbessert. Das ist die Sorge der EZB.
Ja, in der Tat. Wenn ich bei der EZB wäre, dann wäre die Drohung eines plötzlichen und vehementen Wachstums-Ausbruchs auch etwas, das mich nicht schlafen lassen würde. Ich könnte allerdings auch die Wachstumsprognosen ansehen und die antikapitalistische Stimmung, die sich in Europa wie die Hühnergrippe verbreitet, und darüber nachdenken, ob die Exkursionen meiner Fecht-Kollegen unter 30 laut Genfer Konvention der Folter zugerechnet werden müssten.
*** Die Geschichte ist eine Studie der Ironie. Europa arbeitet hart, um das zu beweisen: 15 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges könnte man denken, dass die Ostblock-Apparatschiks erneut die Bühne betreten haben.
Es ist nicht nur in Russland, wo Vlad der Requirierende versucht, die gewinnbringende Ölindustrie erneut zu verstaatlichen, indem er den Ölunternehmen horrende Steuerrechnungen präsentiert. Nein, auch in der Stadt Berlin regiert eine Koalition aus Sozialdemokraten und der "Partei des Demokratischen Sozialismus" (PDS), die schamlose und reuelose Nachfolgeorganisation der in der damaligen DDR herrschenden SED. (Ein ehemaliger SED-Funktionär, der daran beteiligt war, Parteivermögen zu verstecken, ist in Berlin jetzt Landesminister).
In Deutschland ist kurz vor der Landtagswahl in NRW offensichtlich keine sozialistische Rhetorik anachronistisch genug, um von den Regierungs-Politikern ausgenutzt zu werden.
*** Störender noch als diese alten proto-marxistischen Kastanien ist die allgemeine Zustimmung zu diesem Unfug. Einige Umfragen zeigen, dass fast zwei Drittel der Befragten dem zustimmen. Das ist keine Überraschung. Denn diese Art zu denken hat in Europa eine lange Tradition ? ein tiefes Misstrauen gegenüber Kapital und auf Wissen basierendem Fortschritt bleibt. Ende der 1990er konnte Kanzler Gerhardt Schröder punkten, weil er wiederholt betonte, dass er keinerlei Aktien besitzt.
Im Februar 2005 nutzten Schröder und der französische Präsident Jacques Chirac erneut diese populistische Stimmungsmache gegen kapitalistische Institutionen für sich aus, indem sie eine weltweite "Spekulationssteuer" forderten.
Diese alte, bipolare Ideologie von "Kapital versus Arbeit" ? das Kapital gierig, rücksichtslos und inhuman, die Arbeit angeblich mitfühlend, human und nobel ? versucht den Fakt zu ignorieren, dass Kapital und Arbeit immer in einer symbiotischen Beziehung gelebt haben. Dabei hat das Kapital die Hosen an. Ohne Kapital gibt es keine Arbeit. Wenn es kein Geld zur Bezahlung eines bestimmten Jobs gibt, dann wird dieser Job nicht entstehen.
Quelle: Traders Daily, investor Verlag
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