Sozialhilfe im Ausland Größter Brocken geht in die Schweiz Der Fall von ?Florida-Rolf? hat Schlagzeilen gemacht und eine landesweite Diskussion über Sozialhilfekosten für im Ausland lebende Deutsche angestoßen. Was aber wenige wissen: Mehr als sieben Millionen Euro flossen 2002 an Deutsche in der Schweiz. 30.08.2003
Recherchen des Länderspiegels haben ergeben, dass in der Schweiz 1230 Deutsche Sozialhilfe beziehen, 2002 summierte sich das auf 7.201.600 Euro. Rechnet man die Verwaltungskosten dazu, kostet die Stütze in der Schweiz sogar 7.435.391 Euro. Im Vergleich dazu flossen in alle übrigen Länder zusammen 4,3 Millionen Euro. Die Schweiz ist zudem das einzige Land, in dem immer mehr Deutsche Sozialhilfe erhalten, während in anderen Ländern die Tendenz eher rückläufig ist.
Grundlage ist ein überholtes Abkommen
Rechtliche Grundlage ist ein Vertrag aus dem Jahre 1952, das sogenannte Fürsorgeabkommen. Damals sollten Kriegsheimkehrer sich im schweizerischen Kurort Davos erholen. Für sie sollte in der Schweiz gesorgt sein, wenn sie nicht mehr nach Deutschland zurückkehren wollten. Ein 50 Jahre altes überholtes Abkommen kostet den deutschen Steuerzahler jedes Jahr Millionen Euro. Denn wer am Genfer See lebt, dessen Stütze richtet sich nicht nach deutschen, sondern nach Schweizer Rechtsansprüchen. Während der Sozialhilferegelsatz in Berlin gerade mal 296 Euro beträgt, hat ein alleinstehender Deutscher in der Alpenrepublik Anspruch auf 1800 Franken (umgerechnet 1080 Euro).
Deutsche Sozialämter sind machtlos
Zwar sind die Lebenshaltungskosten dort höher, berichtet Sozialstadtrat Stefan Wöpke in Berlin Steglitz-Zehlendorf, doch verweist er auf die strengeren Kontrollen hierzulande. Die Schweizer Behörden legen vor und präsentieren dann den deutschen Sozialämtern die Rechnung. Die deutschen Ämter müssen zahlen, haben kaum Spielraum zur Überprüfung. In einem konkreten Fall zahlte das Steglitzer Sozialamt über Jahre hinweg Sozialhilfe an ein deutsches Ehepaar, das in einer Sechs-Zimmerwohnung im Kanton Tessin residierte. Erst als die Behörde verlangte, dass das Ehepaar zurückkehrt, entzog die Schweiz die Aufenthaltserlaubnis, die Zahlung konnte nach langem Hin und Her eingestellt werden. Kurios: Ein Teil des Ehepaars hatte einen österreichischen Pass.
Auch Kindeskinder beziehen Stütze
Das Sozialamt Steglitz hat im Jahre 2002 insgesamt 580.000 Euro für 160 bedürftige Berliner im Ausland gezahlt. Davon fielen allein 300.000 auf die in der Schweiz. Oft zahlen sie für Deutsche, die nie in Deutschland gewohnt haben, sondern bereits in der dritten Generation in der Schweiz leben, berichtet die Sachbearbeiterin Klara-Ilona Hermeyer. Die Praktiker aus dem Berliner Sozialamt sind sich einig: Das Abkommen sei veraltet und ungerecht, es müsse schnellstens abgeschafft werden. Hier sei die Politik am Zug.
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