Nicht umgekehrt.
Das Zusammenleben ist das Wesentliche, die kulturellen Symbole dafür entstehen später, -- und vergehen auch mal wieder. Du sprichst es glaub ich auch an, Akhenate: Deutschsein ist graduell.
Genauso wie auch "Nähe", "Zusammengehörigkeit", "Solidarität" und solche Sachen graduell sind. Und "Ähnlichkeit" sowieso. Interessanterweise wird aber immer über "Identität" geredet statt über "Ähnlichkeit". Mit dem Begriff der Identität versucht man wohl, etwas scheinbar nicht Graduelles zu propagieren, ein Entweder-Oder, Gleich-oder-Ungleich. In Wirklichkeit ist die Sache, die man "Identität" nennt, auch graduell, und jeder Mensch kann mehrere davon haben, die im subjektiven Empfinden unterschiedlich weit im Vordergrund stehen können.
Nationen sind historisch im Fluss, es rüttelt sich mit der Zeit zurecht, wer als Nation zusammenlebt. Die heutige Zusammensetzung "Deutschlands" hätte man im Jahr 1800 nicht voraussehen können. Das betrifft nicht nur Einwanderer aus Italien, Türkei, Schwarzafrika oder Russland im 20./21. Jahrhundert (nur die französische Einwanderungswelle hatte man 1800 hinter sich), sondern auch dass es eine "Nation" geben würde, die Bayern enthält aber nicht Österreich, die Schleswig enthält aber nicht Luxemburg, all das war nicht zu sehen. Weil es nie klar und ausgemacht war, wer Deutschland ist und wer nicht, gibt es heute eine Zone der Unschärfe um uns herum, aber auch innerhalb des Landes mit seinen Friesen, Dänen, Sorben etc. Die ja dann zugleich auch Deutsche sind. Ebenso wie eine scharfe Abgrenzung der Nation durch Landesgrenzen eine Fantasievorstellung ist, ist es die zeitliche Abgrenzung, also wenn Nationalisten die Idee haben, dass sich das, was die Nation ist, nie ändern würde, und nie ändern würde, wer dazugehört. In diesem Sinn veranstaltet man absurderweise einen Germanenkult und beruft sich auf die Kontinuität, ja Identität, mit diesen Vorfahren. Aber Germanen wären für uns heute zottelige, fremdartige Leute, die eine fremde Sprache sprechen.
Das Schlimme am Nationalismus ist zuerst die hemmungslose Fantasterei, und die Behauptung von einem unverrückbaren Wesenskern von Menschen, Gruppen und Ländern (der sich dann wiederum an Oberflächlichkeiten festmacht!). Das sind aber natürlich altbekannte und tief verwurzelte Wahrnehmungstäuschungen, die sich ständig auch in anderen Zusammenhängen zeigen.
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