Die Abschreibungen im Q1 2020 erfolgten vor dem Hintergrund eines dramatischen Gewinneinbruchs und einer nicht absehbaren Dauer der Coronapandemie.
Zitat: "Die Coronavirus-Pandemie und die weltweiten Maßnahmen zu deren Eindämmung führen zu einer erhöhten Unsicherheit in Bezug auf den künftigen Geschäftsverlauf der Schaeffler Gruppe und somit zu veränderten Annahmen im Rahmen der Ermittlung des erzielbaren Betrages von Gruppen zahlungsmittelgenerierender Einheiten. In diesem Zusammenhang ergab sich in der Berichtsperiode eine Wertminderung des der Sparte Automotive OEM zugeordneten Geschäfts- oder Firmenwertes um 249 Mio. EUR."
Zum 31.12.2020 betrug der im Konzernabschluss bilanzierte Goodwill nur noch 357 Mio ?.
Insofern wäre selbst im worst case eines unvorhersehbaren Wirtschaftseinbruchs im Q4 2021 das maximale Abschreibungsrisiko für 2021 sehr überschaubar.
Aus meiner Sicht ist die Kursentwicklung aktuell rein sentiment- und chartgetrieben und in keinster Weise ein Abbild der operativen Entwicklung der Schaeffler-Gruppe.
Der CEO hat nicht nur einmal betont, dass der von den OEMs und Zulieferern wie Conti beklagte Chipmangel für das operative Geschäft von Schaeffler eher marginal ist. Zudem wurde in Kenntnis des Chipmangels mehrfach die Guidance für Umsatz und Ergebnis im Geschäftsjahr 2021 ERHÖHT.
Auf Basis der jüngst berichteten Halbjahreszahlen (Konzernergebnis 470 Mio ?; Gewinn je Aktie 0,70 ?) erwarte ich, dass Schaeffler im Geschäftsjahr 2021 einen Konzerngewinn i.H.v. ca. 1 MRD EUR bzw. einen Gewinn je Aktie i.H.v. ca 1,40 ? bis 1,50 ? erzielen und die Dividende auf 50 Cent je Aktie erhöhen wird.
Für 2022 erwarte ich eine weitere Entspannung der coronabedingten Einschränkungen der Weltwirtschaft und eine weitere Absatz- und Gewinnsteigerung bei Schaeffler. Insofern halte ich das Risiko einer erneuten Goodwill-Abschreibung aktuell für gering. Ich gehe davon aus, dass Schaeffler die Krise 2020 genutzt hat, um bilanziellen Ballast abzuwerfen und die notwendige Restrukturierung des Automotive Geschäftsbereichs hin zu E-Mobilität und Wasserstoffantrieben deutlich zu beschleunigen.
Im übrigen wird irgendwie permanent vergessen, dass Schaeffler eine Industriesparte mit deutlich zweistelligen EBIT-Margen hat, die fast 50% des Konzerngewinns beisteuert und in vielen Bereichen Weltmarktführer ist (-> z.B. Wälzlager für Windkraftanlagen).
Die Betrachtung Schaefflers als reiner Automobilzulieferer geht an der Realität komplett vorbei. Die im Vergleich zu reinen Automobilzulieferern viel höhere EBIT-Marge von aktuell ca. 9% und die trotz hoher Investitionen auch im H1 2021 ersichtliche Cashflowstärke zeigt deutlich, dass Schaeffler ein ungleich robusteres Geschäftsmodell besitzt als notorisch margenschwache Zulieferer wie Continental, Thyssenkrupp, ElringKlinger, Leoni...
Die traurige Nachricht ist, dass der Kapitalmarkt die Stärke des Geschäftsmodells seit Jahren ignoriert und Schaeffler eine im Peer-Group-Vergleich unterirdisch niedrige MKAP zubilligt.
Solange die meisten Aktionäre dem stetigen Verfall des Aktienkurses - trotz offensichtlicher fundamentale Unterbewertung - untätig zuschauen und kein echtes Kaufinteresse entsteht, wird Schaeffler weiterhin ein beliebter Spielball der Shortseller bleiben. Die meisten institutionellen Investoren kaufen wegen fehlender Mitbestimmungsrechte leider prinzipiell keine Vorzugsaktien. Diese strukturelle Schwäche der Aktionärsstruktur ist m.E. ein wesentlicher Grund für eine von Fundamentaldaten und dem objektivierten Unternehmenswert der Schaeffler AG komplett losgelöste Marktbewertung. Die im Zusammenhang mit der ultraniedrigen MKAP im Forum immer wieder genannte Übernahmephantasie sehe ich trotz offensichtlicher Fehlbewertung - leider - überhaupt nicht, da die Familie Schaeffler mit dem aktuellen Zustand der Erzielung außerordentlich hoher und nachhaltiger jährlicher Dividenden (2021e: 500 Mio x 0,50 ? = 250 Mio ? Divi) wunderbar leben kann und daher null Interesse an einem Verkauf ihrer 500 Mio Stammaktien haben dürfte.
Im Ergebnis sind lediglich die Vorzugsaktionäre negativ durch die strukturell bedingte Fehlbewertung der Schaeffler Aktie betroffen. Ein Interesse der Stammaktionäre zur Stützung des Preises der Vorzugsaktie sehe ich leider nicht. Solange der Großteil der Vorzugsaktionäre darauf wartet, dass irgendein anderer Investor doch bitte große Aktienkäufe zu möglichst deutlich höheren Preisen tätigen möge, werden im aktuell eher negativen (Gesamt-) Marktumfeld vermutlich weiterhin die Daytrader, Charttechniker und Shortseller das Kursgeschehen beherrschen...
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