Mittelstandskrise löst Pleitewelle in Europa aus

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eröffnet am: 06.02.03 23:52 von: first-henri Anzahl Beiträge: 1
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36803 Postings, 8230 Tage first-henriMittelstandskrise löst Pleitewelle in Europa aus

Aus der FTD vom 7.2.2003  
Mittelstandskrise löst Pleitewelle in Europa aus
Von Jens Tartler, Berlin

Das Jahr 2002 hat Europa einen neuen Rekordstand der Insolvenzen gebracht. Mehr als 240.000 Unternehmen und Privatpersonen erklärten ihre Zahlungsunfähigkeit - ein Zuwachs von 21,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Nach der Statistik des Informationsdienstes Creditreform liegt Deutschland mit einem Zuwachs von 66,4 Prozent bei den Gesamtpleiten vorn. Jedoch muss dabei berücksichtigt werden, dass hier zu Lande Privatpersonen erst seit wenigen Jahren Insolvenz anmelden können.

Betrachtet man allein die Pleiten von Unternehmen, relativiert sich das Bild. Hier liegt die Bundesrepublik mit einem Plus von 16,4 Prozent über dem europäischen Durchschnitt von 10,7 Prozent. Die absolute Zahl liegt mit 37.700 aber immer noch unter dem französischen Wert von 38.688 (plus 10,9 Prozent). Den kräftigsten Anstieg vermeldete das Hightech-Musterland Finnland (34,9 Prozent), gefolgt von Spanien (33,7 Prozent) und der Schweiz (32,9 Prozent).



Holzmann größte Pleite Europas


In Irland, Griechenland und Luxemburg ist die Zahl der Pleiten hingegen deutlich zurückgegangen. Unter den zehn größten Unternehmenspleiten in Europa ist Deutschland siebenmal vertreten. Angeführt wird die Liste von Philipp Holzmann, es folgen Babcock Borsig, Kirch Media und die Frankfurter Gontard & Metallbank.


Der Schwerpunkt der Zusammenbrüche lag aber wieder im Mittelstand. Fast zwei Drittel der zahlungsunfähig gewordenen Unternehmen haben höchstens fünf Beschäftigte. Nur 1,6 Prozent der Insolvenzanträge stammen von Unternehmen, die mehr als 100 Leute beschäftigen. Durch den Anstieg der Pleiten drohten im vergangenen Jahr 1,6 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz zu verlieren. 2001 waren es noch 1,4 Millionen Menschen. Besonders betroffen von Insolvenz sind das Dienstleistungsgewerbe und die Baubranche. Der Anteil der Serviceunternehmen an den Pleiten wuchs 2002 von 37,8 auf 40,6 Prozent. Der Bau legte um einen Punkt auf 21,4 Prozent zu.



Wenig Eigenkapital und Kredite


Zu den Hauptgründen für die Pleitewelle zählt die schwache Binnennachfrage. In Deutschland ist der Inlandskonsum schon seit längerem rückläufig. Nun greift der Trend auf die gesamte Euro-Zone über. Insbesondere in Deutschland haben kleine und mittlere Unternehmen darüber hinaus Finanzierungsprobleme. Sie haben eine Eigenkapitalquote von lediglich 18 Prozent. In Frankreich sind es 34 Prozent.


Auch werden seit 2001 in Deutschland immer weniger Bankkredite vergeben, was mittlerweile die Kreditentwicklung in der Euro-Zone herunterzieht. Außerdem macht den Mittelständlern zu schaffen, dass die Kunden ihre Rechnungen so langsam bezahlen. Hier sind allerdings andere Länder noch weniger vorbildlich als Deutschland. In Italien wird im Schnitt nach 87 Tagen gezahlt, in Belgien nach 61 Tagen und in Frankreich nach 56 Tagen.


Doch nicht nur Europa, sondern auch Japan und die USA meldeten 2002 neue Insolvenzrekorde: In Japan gingen 19.750 Unternehmer zum Konkursrichter (plus 4,7 Prozent). In den USA gab es zwar auch einen Anstieg. Doch liegt die absolute Zahl mit 38.537 lediglich auf dem Niveau von Deutschland und Frankreich.



© 2003 Financial Times Deutschland  

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