Von Anne Wiktorin 15.12.2008
Europas Gewerbeimmobilienmärkte befinden sich im freien Fall. Kreditklemme und Rezession nehmen die Investoren in die Zange und auch die Aussichten sind alles andere als heiter: Die bereits gesunkenen Preise für europäische Büroimmobilien dürften weiter fallen.
Vorweihnachtliche Besinnlichkeit kennt man so gar nicht in der Welt der Immobilieninvestoren und ihrer Berater. Das vierte Quartal ist normalerweise das umsatzstärkste des Jahres und noch vor zwölf Monaten herrschte in den Investmentabteilungen der großen internationalen und einheimischen Maklerhäuser wie gewohnt ein reges Treiben. Doch dieses Jahr ist Ruhe eingekehrt. Allerdings: Himmlisch findet das niemand. Denn Europas Gewerbeimmobilienmärkte befinden sich im freien Fall.
Investoren sind von Kreditklemme und Rezession in die Zange genommen, ihre Lage bleibt düster. "Das Transaktionsvolumen auf den Investmentmärkten ist dramatisch eingebrochen, die großen Investoren der Jahre 2006 und 2007 stehen vor gewaltigen Abschreibungen, in vielen Fällen ist das eingesetzte Eigenkapital längst aufgezehrt", beschreibt Christian Ulbrich, Deutschland- und designierter Europachef des internationalen Immobilienberaters Jones Lang Lasalle (JLL), die Lage. 2009 werde ein "Jahr der Schmerzen", in dem "wir viele Marktteilnehmer verschwinden sehen". Treffen könnte es nicht nur Immobiliendienstleister. Auch deutsche Immobilienaktiengesellschaften seien aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten, sinkender Immobilienwerte und fallender Mieten womöglich in ihrer Existenz bedroht.
Denn als Folge der Kreditknappheit werden die europaweit bereits gesunkenen Preise für Büroimmobilien weiter fallen: JLL prognostiziert einen Rückgang um 40 Prozent bis 2010 und korrigiert die eigene Vorhersage vom September deutlich nach unten. Damals war man davon ausgegangen, dass sich die Wwerte auf mittlere Sicht wieder stabilisieren würden.
Auf den Bürovermietungsmärkten sorgen die konjunkturellen Aussichten für Pessimismus: "Die Rezession wird die gewerblichen Immobilienmärkte in Westeuropa massiv belasten", prognostiziert Tobias Just, Immobilienmarktexperte bei Deutsche Bank Research. In allen wichtigen Büromärkten Europas würden die Leerstände steigen und die Mieten fallen. JLL erwartet, dass 2009 die Spitzenmieten für Büros in Westeuropa so stark zurückgehen werden wie seit 15 Jahren nicht mehr. In Paris, London, Madrid, Dublin, Barcelona und Stockholm etwa könnten sie um mehr als zehn Prozent absacken. Ein "deutscher Sonderweg" wie auf den Wohnungsmärkten sei dabei unwahrscheinlich, urteilt Deutsche Bank-Researcher Just. Die erweisen sich im Unterschied zu Großbritannien oder Spanien nach wie vor resistent gegen die Krise. Für hiesige Büromieten wird das nicht gelten: Sie werden deutlich nachgeben, mit knapp zehn Prozent Minus werde Frankfurt/M. am stärksten betroffen sein, schätzt JLL. Optimistischer zeigt sich Andreas Schulten vom Immobilienanalysehaus Bulwien Gesa für die deutschen Bürometropolen: "Der Rückgang der Mieten wird moderater ausfallen als zwischen 2001 und 2005." Wichtigster Grund: Es kämen in den kommenden Jahren weniger spekulativ, also ohne Vorvermietung errichtete Neubauflächen auf den Markt als damals. Und womöglich werde in einem halben Jahr zumindest für Deutschland das extreme Krisenszenario, das man heute befürchte, einer typisch deutschen "crisis as usual" gewichen sein. Und selbst JLL-Chef Ulbrich räumt ein: "Wir stehen derzeit an der Schwelle von der überschätzten zur unterschätzten Krise."
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