"Wie der Sonnenkönig Deutschland verwüstete Veröffentlicht am 29.09.2007 | Lesedauer: 4 Minuten Von Jan von Flocken
Seit den 60erJahren des 17. Jahrhunderts überzog König Ludwig XIV. seine östlichen Nachbarn mit Krieg. Sein Ziel bestand darin, soviel holländisches und deutsches Gebiet wie möglich zu rauben und Frankreich einzuverleiben. Beschönigend nannte er das „Réunion“ (Wiedervereinigung). Als 1688 Kaiser Leopold I. in einen schweren Konflikt mit den Türken verwickelt war, ließ der „Sonnenkönig“ ein Heer von 20 000 Mann in Westdeutschland einfallen. Zur Begrüßung wurden in der Gegend von Ulm und Rothenburg 17 Dörfer niedergebrannt. Die Franzosen verlangten von der Bevölkerung hohe Kontributionen. Wer nicht zahlte, wurde ermordet.
Am 10. November 1688 rückte der berüchtigte Joseph de Montclar mit 6000 Soldaten in das rechtsrheinische Gebiet vor. Sein Auftrag lautete, alle Landschaften, die ihre Unterwerfung verweigerten, bis auf das letzte Gebäude niederzubrennen und die Einwohner nach Frankreich zu verschleppen. Doch Ludwigs Rechnung, durch lähmenden Terror jeden Widerstand zu brechen, ging nicht auf. Die kleine Festung Schorndorf im württembergischen Jagstkreis leistete erfolgreich Widerstand und das unter Führung einer Frau, der Bürgermeistergattin Barbara Walch. Zur selben Zeit schlossen Brandenburg, Sachsen sowie Hessen-Kassel ein Bündnis mit dem Kaiser und stellten ein Heer von 22 000 Mann auf, das die gequälten deutschen Lande befreien sollte.
Sie vergewaltigten Mädchen und Frauen Die Folgen waren furchtbar. Da bis zum Eintreffen der Entsatzarmee noch mehrere Monate vergingen, befahl Ludwig, das besetzte Gebiet systematisch zu verwüsten. Sein Kriegsminister Louvois wurde mit der Exekution beauftragt. Im März 1689 begann der Terror mit der Einäscherung von Mannheim und weiteren elf unterpfälzischen Städten.
Besonders schlimm wütete General Ezechiel de Mélac. Er leitete die Zerstörung des Heidelberger Schlosses, eines der schönsten Renaissancebauten Deutschlands. Seine Truppen verwüsteten auch die Burg Rheingrafenstein, das Kloster Hirsau, die Ebernburg. „Bevor sie Brand anlegten, plünderten sie nicht nur alles, was sie Gutes vorfanden, sie vergewaltigten auch schamlos Mädchen und Frauen und begingen Tausende von Übergriffen solcher Art“, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht aus Heidelberg.
Für Speyer dachten sich die Besatzer eine besondere Gemeinheit aus. Die 1700 Jahre alte Kaiserstadt mit ihrem romanischen Dom war seit September 1688 von französischen Truppen besetzt. Am 16. Mai 1689 befahl General Montclar, „alle Einwohner müssten innerhalb sechs Tagen die Stadt verlassen; aber niemand dürfe bei Todesstrafe den Rhein überschreiten. Alle Vertriebenen sollten sich in Elsaß ansiedeln und dort Untertanen des Königs von Frankreich werden. Ein unbeschreiblicher Jammer hub in Speyer an“, berichtete der Rektor des Gymnasiums Daniel Hofmann aus jenen Tagen.
Speyer brannte komplett ab Vor allem die Zerstörung des Domes besaß für die Franzosen Priorität. Dieses massive Steingebäude konnte man nicht ohne weiteres anzünden. Montclar machte scheinbar großzügig den Speyerern das Angebot, alle Habseligkeiten, die sie nicht mitnehmen könnten, unter dem Dach des Doms aufzustapeln. Man werde die Kirche verschonen. „Da weitaus nicht genug Wagen zum Fortschaffen der Hausgeräte und Möbel aufzutreiben waren, so brachte man alles Überschüssige in das Schiff des Domes, das bald damit angefüllt war“, berichtet Magister Hofmann.
Im Dom zu Speyer waren acht deutsche Kaiser begraben, darunter Rudolf von Habsburg. Ihre Gräber wurden von den Franzosen am 31. Mai aufgebrochen und die Gebeine in der Umgegend verstreut. Dann zündeten sie das reichlich vorhandene Brennmaterial im Kirchenschiff an und brannten das Gebäude sowie die ganze Stadt nieder.
Teile Deutschlands wurde zur menschenleeren Wüste Das weitere Schicksal der Familie Hofmann ist charakteristisch. Auf einem Bauernfuhrwerk rettete sie sich zunächst in das Städtchen Bellheim. Dort kam auch eine verheiratete Tochter des Rektors an, die aus ihrer total verwüsteten Heimat Durlach fliehen musste. Als die Franzosen näher rückten, floh die Familie diesmal zu Fuß und geriet wenige Stunden später dennoch in die Hände eines Franzosenhaufens. Sie wurden vollständig ausgeplündert und erreichten nur noch mit Hemden bekleidet die Stadt Esslingen.
Bevor die Befreiungsarmee anrückte, waren große Teile Westdeutschlands eine menschenleere Wüstenei. Der zeitgenössische Chronist Johann Friedrich Seidenbender verwünschte den Urheber dieses Unglücks, Ludwig XIV. als „den allerbarbarischsten Unmenschen, grausamsten Wüterich und Mordbrenner, der jemals gelebt haben mag oder noch ins Leben wird kommen können“."
|