Abzocke an der Börse Ungehinderter Handel mit wertlosen Aktien
von Herbert Klar
Immer wieder zocken windige Finanzjongleure im Freiverkehr der Deutschen Börse ahnungslose Anleger mit wertlosen Aktien ab - und verdienen daran jedes Jahr Hunderte Millionen Euro. Dabei helfen ihnen die vollmundigen Kaufempfehlungen fragwürdiger Börsenbriefe und nicht zuletzt das Schweizer Aktienrecht. Schrade: Unter den Schweizer Penny Stocks sind viele Schwarze Schafe.
Frontal21 berichtete bereits im vergangenen Jahr über Aktien ausländischer Unternehmen, die im Freiverkehr, dem so genannten Open Market, der Frankfurter Börse gehandelt und von einigen Börsenbriefen verdächtig häufig und deutlich empfohlen werden. Dabei handelt es sich oftmals um wertlose Aktien, die an Kleinanleger viel zu teuer verkauft werden. Kurz nach dem Kauf rast der Kurs der Wertpapiere dann meist in den Keller. Ein lohnendes Geschäft für die Drahtzieher, bei dem die Kleinanleger verlieren.
Inzwischen sind es bereits etwa 10.000 Firmen die im Freiverkehr gehandelt werden - darunter viele Kleinstunternehmen aus dem Ausland, viele aus der Schweiz. Von dort, meinen Experten, lassen sich Anleger offenbar besonders leicht abzocken. So liege nach Ansicht von Börsenanalyst Matthias Schrade der Anteil Schwarzer Schafe bei den Schweizer Penny Stocks, die in Deutschland gelistet sind, bei 99 Prozent. "Mir ist bisher noch keine einzige Firma begegnet, unter diesen Schweizer Penny Stocks, die sich hier erfolgreich entwickelt hätte im Kurs", so Schrade. Abzocke dank Schweizer Aktienrecht
Möglich wird die Abzocke durch das Schweizer Aktienrecht. Denn anders als in Deutschland, wo das Minimum für eine Aktie bei einem Euro liegt, dürfen in der Schweiz Aktien einen Nennwert von nur einem Rappen haben. Das ist weniger als ein Cent. Mit einem Franken könne also bis zu 100 Aktien ausgegeben werden. So kommen plötzlich kleinste Unternehmen an der Börse ganz groß raus.
"Wenn diese Aktie bei einem Euro an der Deutschen Börse gelistet ist, dann ist das für den Initiator bereits ein Gewinn von etwa 15.000 Prozent", erklärt Schrade. Und an die Frankfurter Börse kommen diese Unternehmen mit ihren Aktienpaketen viel zu leicht, sagen Kritiker. So braucht man sich im Open Market nicht den strengen Aufnahmeregelungen des regulären Börsenhandels zu unterwerfen. Hier gelten keinerlei Transparenzvorschriften. Bernd M. Otto. Börsenexperte Otto kritisiert den leichten Zugang zum Open Market.
Unseriöse Kaufempfehlungen
"Man kann dann einfach so diese Aktie listen lassen, und ein reiner formaler Antrag auf Listing reicht dann schon aus, um eine Zulassung zum Börsenhandel zu bekommen", erklärt der Börsenexperte Bernd M. Otto. Den entsprechenden Aufnahmeantrag findet man auf der Internetseite der deutschen Börse.
Um ihre Aktien interessant zu machen, benötigen die Unternehmen dann nur noch eine Kaufempfehlung: Die liefern unseriöse Börsenbriefe, locken so mit ihren Versprechungen von angeblichen Kursexplosionen viele Käufer an. Die lassen sich oft vom Schein trügen und kaufen Aktien, die dann bald 80, 90 Prozent ihres angeblichen Wertes verlieren. Untätige Börse, machtlose BaFin
Trotz eindringlicher Warnungen von Börsenexperten und Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft sieht die Deutsche Börse Frankfurt diesem Treiben der Geschäftemacher tatenlos zu. Auf Nachfrage von Frontal21 verweist sie auf die Verantwortung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin.
Dabei müsste sie doch wissen, dass die BaFin solche Aktiengeschäfte gar nicht mehr kontrollieren kann. Denn laut einer aktuellen EU-Finanzrichtlinie wird die BaFin nicht mehr automatisch über Geschäfte im Freiverkehr informiert. Die Aktien-Abzocker haben also nichts zu befürchten, können ungehindert weiter machen - zu Lasten der Anleger.
http://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/19/0,1872,7273843,00.html
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