Hektisches Auflösen von Konten bringt gar nichts Finaler Schlag gegen das Bankgeheimnis Von Alexandra Kusitzky Thomas Spies schwärzt von Beruf Kunden an. Im Akkord. Suspekt sind dem Angestellten der Deutschen Bank alle, die auf einmal viel Geld haben. "Wenn ein Kunde plötzlich 50 000 Euro überwiesen bekommt, obwohl sonst im Monat höchstens 10 000 Euro auf seinem Konto eingehen, dann zeige ich das an." Jedenfalls wenn weder er noch der Kundenberater sich einen Reim auf den Geldsegen machen können.
Spies ist der Geldwäschebeauftragte der Deutschen Bank. Er muss auffällige Geldflüsse der Kunden prüfen. Einen wie ihn hat jede Bank, der Gesetzgeber verpflichtet sie dazu. Die Banken müssen prüfen, ob Kundengelder vielleicht aus einem Verbrechen stammen, sonst machen sie sich selbst strafbar. Die Kredithäuser nehmen die Überprüfung ernst. Lieber melden sie eine Kontobewegung zu viel als eine zu wenig. Der Geldwäschebeauftragte einer der größten deutschen Sparkassen sagt: "Ich gebe jeden Tag eine Anzeige raus."
8 261 Verdachtsanzeigen registrierte das Bundeskriminalamt 2002. Neuere Zahlen gibt es noch nicht, aber Experten sind sich sicher, dass die Zahl weiter gestiegen ist. Die Anzeigen landen nicht nur beim Staatsanwalt, sie gehen von dort automatisch in Kopie an die Steuerfahndung und das Finanzamt des Verdächtigten. Und die Fahnder dort knöpfen sich jeden Fall vor - nicht nur bei Geldwäsche oder Drogenhandel, auch bei Schwarzgeld oder Schwarzarbeit.
Zwischen Banken und Finanzämtern herrscht ein weit breiterer Datenfluss, als sich die meisten Anleger vorstellen. Viele glauben, das Auf und Ab ihres Kontos bleibe stets verborgen, sie vertrauen auf das Stichwort Bankgeheimnis. Doch "vom Bankgeheimnis ist nicht mehr viel übrig, wenn es um Steuerfragen geht", sagt der Landshuter Steuerberater Thomas Küffner. Banken melden Daten, Finanzbeamte können sie umgekehrt ebenso gut von den Geldhäusern einfordern.
Was vom Bankgeheimnis heute noch übrig ist, schützt Anleger im Verhältnis zum Staat nur vor einem: Finanzämter dürfen ihre Betriebsprüfer nicht einfach in eine Bank schicken, um Kundenkonten zu filzen.
Das bestätigte jüngst der Bundesfinanzhof. Er stoppte eine übereifrige Betriebsprüferin: Sie hatte, bevor sie sich die eigenen Geschäfte der Bank ansah, zunächst die Auszüge des Giroausgangskontos für ein halbes Jahr verlangt. Auf diesen Auszügen hätte die Beamtin die Geldtransfers aller Kunden sehen können - Überweisungen ins Ausland, Bareinzahlungen, die zur Anlage in Festgeldern verwendet wurden; eben alles, was Kunden der Steuerhinterziehung verdächtig macht. Die Bank weigerte sich, die Richter gaben ihr Recht (VII R 28/01).
Doch das ist auch alles. In den Großbanken scannen Computerprogramme kontinuierlich die Kundenkonten. Gehen Einnahmen ein, die deutlich über den üblichen Monatssummen liegen, erhält der Geldwäschebeauftragte automatisch eine Meldung. Abweichungen von 200 Prozent und mehr sind verdächtig, vor allem wenn die Überweisung von einer Bank aus dem Ausland stammt. "Ebenso fallen Kunden auf, die häufig Kredite vorzeitig ablösen oder immer wieder Bargeld einzahlen, ohne dass es dafür einen ersichtlichen Grund gibt", sagt Peter Schurau, Geschäftsführer des Frankfurter Beratungsunternehmen Bearing Point.
Auf diese Weise geraten auch unbescholtene Kunden ins Visier. Kunden, deren ungewöhnliche Überweisungen einen ganz banalen, harmlosen Grund haben können. Doch das erfährt der Geldwäschebeauftragte nicht. Er darf nicht nachfragen. "Der Beauftrage darf den Kunden nicht über den Verdacht informieren", sagt Rainer Spatscheck, Anwalt bei der Kanzlei Streck, Mack, Schwedhelm in München. So regelt es das Gesetz. Sobald er auffällt, steht der Kunde unter der heimlichen Beobachtung der Banker. Die fragen nach. Nicht beim Kunden, sondern bei der Absenderbank, ob sie etwas weiß. "Geht es um Geldwäsche, gilt das Bankgeheimnis nicht", sagt Achim Diergarten, Geldwäschebeauftrager der Stadtsparkasse München. Bleibt es beim Verdacht, folgt die Meldung an die Behörden.
Die Finanzbeamten müssen nicht auf die Anzeigen der Banker warten. Sie können sich die Finanzen ihrer Steuerschäfchen auch so vornehmen. Interessieren einen Fiskalsachbearbeiter die Zinseinnahmen, Dividenden oder Aktiengewinne eines Bürgers, kann er ihn um seine Konto- und Depotauszüge bitten. Weigert sich der Steuerzahler - er ist schließlich nicht dazu verpflichtet, Bankunterlagen aufzubewahren - schreibt der Steuereintreiber an die Bank. Sie muss die Unterlagen herausrücken.
Die Krux dabei: Der Finanzbeamte kann den Steuerzahler aus dem Prozedere ausklammern und gleich bei der Bank anfragen, wenn er meint, die Korrespondenz mit dem Bürger habe ohnehin keine Aussicht auf Erfolg. "Woher der Beamte diese Einsicht bekommen soll, ist völlig offen", ärgert sich Steuerberater Küffner. Es regiert die Willkür.
Dass so wenige Steuerzahler unangenehme Überraschungspost vom Finanzamt erhalten, verdanken sie in erster Linie einem schnöden Zeitproblem. Die Beamten haben zu wenig Luft, um jeden zu überprüfen. Daher treten sie erst in Aktion, wenn ihnen in einer Steuererklärung eine grobe Ungereimtheit auffällt oder ihnen eine Anzeige auf den Tisch flattert - obwohl ihre rechtliche Handhabe weiter reicht.
Ein weiteres pragmatisches Problem schnüffelnder Beamten: Für eine Abfrage müssen sie zunächst die Konto- und Depotnummern des Steuerzahlers kennen. Michael Sell, Ministerialrat im Bundeskanzleramt: "Den Finanzbehörden fehlt die Verbindung zwischen Steuerpflichtigen und einem konkreten Konto oder Depot." Die meisten Steuerzahler helfen den Beamten allerdings unbeabsichtigt bei der Suche: Sobald sie einen Freistellungsauftrag für ein Konto oder Depot stellen, ist die Bankverbindung im Bundesamt für Finanzen registriert. Und von dort erfahren die Finanzbeamten alles, was sie wissen wollen.
Im April 2005 wird den Beamten das Nachforschen um noch einen Schritt erleichtert. Denn dann kann jeder im Finanzamt von seinem Arbeitscomputer aus bequem und online die gesamten Kontoverbindungen aller Steuerzahler abrufen. Nur "Kontostände und -bewegungen können auf diese Weise nicht abgefragt werden", klagt Sell. Doch das ist gar nicht notwendig, auch so kann sich ein ganz neues Bild für den Finanzbeamten ergeben: Hat ein Steuerzahler keine oder nur geringe Gewinne aus Börsengeschäften erklärt, aber sind unter seinem Namen mehrere Depots und Konten gelistet, wird der Beamte sofort misstrauisch.
Die Banken müssen sämtliche Nummern von Depots, Konten und Festgeldkonten ihrer Kunden melden. Dabei wird auch vermerkt, wann das Konto eröffnet wurde. Bei einer Auflösung der Bankverbindung wird ebenfalls Meldung gemacht. Sell: "Über eine Standleitung aktualisieren die Banken den Datenpool tagesaktuell."
Ein hektisches Auflösen von Konten und Depots noch in diesem Jahr, um Spuren zu verwischen, bringt nichts mehr. Denn auch das dürfte unangenehm auffallen. "Die Beamten werden einen Einblick in alle Kontendaten seit Anfang 2003 haben", sagt Thomas Höche, Geldwäscheexperte des Bundesverbands deutscher Banken. Die Institute mussten bereits zum 1. April 2003 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) diese Bankdaten zur Verfügung stellen. Schon bisher können die Fahnder auf diese Daten zugreifen, wenn sie einen konkreten Verdacht auf Steuerhinterziehung haben. Ursprünglich waren die Dateien angelegt worden, um bei Bedarf schnell einen Überblick über die Konten mutmaßlicher Verbrecher oder Terroristen zu bekommen.
2005 wird jeder Finanzsachbearbeiter den Zugriff auf die Datenbank erhalten. "Wir sind die Hilfsarbeiter der Finanzämter", sagt der Deutsche-Bank-Geldwäschebeauftragte Spies resigniert. Seine Kollegen sehen das ebenso. Drei Viertel der von Bearing Point zum Thema befragten Banken betrachten schon die heutige Datenbank der BaFin als Aushöhlung des Bankgeheimnisses. Sobald jeder Finanzbeamte beliebig zugreifen kann, erleidet das Bankgeheimnis seinen vorletzten Schlag.
Den finalen Schlag wollen jetzt Politiker setzen. Hans Eichels Staatssekretärin Barbara Hendricks verkündete in einem "Handelsblatt"-Interview, eine Lockerung des restlichen Bankgeheimnisses werde "auf jeden Fall Gegenstand unserer Prüfungen sein". Wenn sie den Rest der Burgruine Bankgeheimnis schleifen will, bleibt ihr wenig zu tun. Sie kann höchstens noch das richterlich gestützte Verbot angreifen, dass Betriebsprüfer wahllos Akten aus der Bank herausschleppen. In fast allen anderen Punkten können Anleger ohnehin nicht mehr auf das Bankgeheimnis vertrauen.
Quelle: Wirtschaftswoche Nr. 014 v. 25.3.2004
############################ gruß proxi
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