Trotz aller deutlichen Dementis gibt es in Hessen neue Spekulationen darüber, ob Andrea Ypsilanti nun doch plant, sich mit Hilfe der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Ein solcher Schritt wäre gefährlich, denn die SPD-Chefin könnte entscheidende Stimmen aus den eigenen Reihen verlieren und bei der Wahl scheitern.
Wegen des politischen Patts nach der Landtagswahl wird in Hessen wild spekuliert, wie das Land regiert werden könnte. Die SPD-Chefin Andrea Ypsilanti will sich notfalls angeblich mit den Stimmen der Linken zur neuen hessischen Ministerpräsidentin wählen lassen und nach vier oder fünf Monaten Neuwahlen anstreben, berichtet die in Hannover erscheinende ?Neue Presse? unter Berufung auf Parteikreise. Diese Einschätzung soll demnach auch von SPD-Parteichef Kurt Beck geteilt werden. Ypsilanti hatte bislang stets erklärt, sich nicht mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen.
Ein Sprecher der hessischen SPD wies die Berichte als Spekulationsgeschichten zurück. Als ?ganz abstrus? bezeichnete er die angeblichen Überlegungen für baldige Neuwahlen. Die SPD habe sich unmittelbar nach der Landtagswahl am 27. Januar gegen Neuwahlen ausgesprochen und an ihrer Haltung bis heute nichts geändert.
Eines der großen Probleme Ypsilantis ist die mangelnde Geschlossenheit der eigenen Landtagsfraktion. Die geheime Ministerpräsidenten-Wahl am 5. April birgt für sie ein hohes Risiko. ?Sie muss U-Boote in den eigenen Reihen fürchten. Dann könnte Sie das gleiche Schicksal erleiden wie Heide Simonis in Kiel?, heißt es in Fraktionskreisen. Heide Simonis war bei der Wahl zur schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin überraschend in mehreren Abstimmungen durchgefallen. Ein Abweichler versagte der SPD-Politikerin damals die nötige Stimme.
In Hessen sind nicht alle SPD-Abgeordneten mit einer rot-grünen Landesregierung einverstanden, die durch die Linke toleriert werden muss. Etliche Genossen sehen darin keine tragfähige Lösung für das Land. Außerdem hat Andrea Ypsilanti auch viele persönliche Kritiker in den eigenen Reihen, auf deren Unterstützung sie sich nicht hundertprozentig verlassen kann. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Walter beispielsweise gilt als einer ihrer innerparteilichen Widersacher. Zwar kann sich Ypsilanti relativ sicher sein, dass alle Parlamentarier der Linken und der Grünen sie wählen würden. Doch haben sie zusammen mit der SPD nur vier Stimmen mehr als das vermutlich verlässlichere Bündnis aus FDP und CDU.
Die hessische CDU reagierte sofort auf die neuen Berichte. Offenbar bereite SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti den Wählerbetrug vor, erklärte CDU-Landtagsfraktionschef Christean Wagner. Die Ausflüchte ihres Sprechers zu den Meldungen seien dubios. Wagner verlangte eine Stellungnahme des SPD-Bundesvorsitzenden Kurt Beck. Die Beteiligung bekennender Kommunisten an der Regierungspolitik wäre aus seiner Sicht eine Katastrophe für Hessen, so Wagner. Auch die FDP forderte Aufklärung über die Pläne der SPD.
Das Ministerpräsidenten-Monopoly wird voraussichtlich erst nach Bürgerschaftswahl in Hamburg an diesem Wochenende richtig in Gang kommen. Bis dahin wollen die Sozialdemokraten mit ihren Aussagen Rücksicht auf den SPD-Spitzenkandidaten Michael Naumann nehmen, der ein rot-grünes Bündnis anstrebt. Tolerierungs-Gerüchte durch die Linke aus Hessen würden diesem Ziel nur schaden. Auch Koch zockt um das Amt des Ministerpräsidenten
Auch Hessens Noch-Ministerpräsident Roland Koch (CDU) betätigt sich als Zocker. Er will versuchen, möglichst lange geschäftsführend im Amt zu bleiben. Seine Berater glauben, dass er aus seiner Position als Regierungschef die besseren Aussichten hat, bei möglichen Nachwahlen deutlich vor Ypsilanti zu landen. Eine erneute Kampagne gegen den drohenden Linksblock könnte im Wiederholungsfall Erfolg haben, heißt es in der hessischen CDU, weil diese Gefahr zur greifbaren Realität geworden war.
Auch in der SPD-Führung wird damit gerechnet, dass Neuwahlen aus dem Ministerpräsidentenamt leichter zu führen sind. Laut dem Zeitungsbericht sei es die Wählern nicht zu vermitteln, wenn die Spitzenkandidatin sich nicht zur Wahl stellt. Eine Minderheitsregierung könnte außerdem Beschlüsse fassen, um deutlich zu machen, für welche Politik Ypsilanti stehe, so die Überlegungen in der SPD. Dabei könnte die hessische SPD-Vorsitzende etwa im Bürgerrechtsbereich Entscheidungen vorantreiben, die insbesondere die FDP nur schwer ablehnen könnte.
Die SPD strebt in Hessen eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP an, die allerdings von den Liberalen strikt abgelehnt wird. Die Sozialdemokraten wollen diesen Plan dennoch weiter verfolgen. Es bleibe beim bisherigen Arbeits- und Zeitplan, sagte ein SPD-Sprecher. Zu dem neuesten Bericht der ?Neuen Presse? sagte er lediglich, dies sei eine von vielen Spekulationen.
Die konstituierende Sitzung des hessischen Landtags steht am 5. April an. Würde kein neuer Ministerpräsident gewählt, würde die amtierende Regierung unter Koch geschäftsführend im Amt bleiben. Die Regierungsbildung in Hessen ist sehr schwierig, weil durch den Einzug der Partei Die Linke in den Landtag weder ein schwarz-gelbes Bündnis noch Rot-Grün eine Mehrheit haben. mit sa/dpa
http://www.welt.de/politik/article1699480/...hicksal_von_Simonis.html
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