Zum Dönerwetter
Von Lukas Weber
04. September 2006 Manche Leute haben seltsame Vorlieben. In Island zum Beispiel vergräbt man gerne die Flossen des Haifischs. Die Natur bereitet sie selbständig zur Delikatesse; das Ammoniak, welches den Gaumen kitzelt, soll die Sinne anregen. Das muß man nicht mögen. Krank macht es aber offenbar auch nicht.
Nun machen die Deutschen mit Drehspießen den Praxistest. Die sind zwar auch nicht gesundheitsschädlich, jedenfalls nicht in moderaten Mengen und nicht sofort. Aber der Gedanke, man könnte kürzlich in der Mittagspause unwissend graugrünes Fleisch genossen haben, dessen ranziger Geschmack gnädig vom Knoblauch verdeckt wurde, erschreckt dann doch.
Fix und fertig vom Großhändler
Eigentlich geht man ja gerade deshalb dahin, wo die Muslime kochen, weil dort alles frisch ist. Weit braucht man nicht zu laufen, denn kaum ein Büro in einer deutschen Großstadt, von dem aus man nicht zu Fuß ein Dutzend Dönerbuden erreichen könnte. Dort drehen die Spieße derzeit nutzlos vor sich hin, weil die Kunden auf der Flucht sind. Ihnen sind die jüngsten Berichte auf den Magen geschlagen.
Frisches Fleisch? Die Drehspieße werden fix und fertig und tiefgefroren vom Großhändler bezogen. Wenn der sie zu lange im Lager läßt, kann der Dönertürke nichts dafür. Das jedem Fleischskandal folgende Polittheater mit wechselseitigen Schuldzuweisungen kennt man auch schon. Warum überhaupt das Fleisch so lange herumliegt, wo die Deutschen doch so viel davon essen wie nie, hat bisher niemand beantwortet.
Kriminelle Etikettierer an den Pranger
Mag sein, daß es schon früher hätte auffallen müssen, wenn ein greiser Firmeninhaber seit Jahren mit der Hand Rechnungsbelege zusammenkritzelt. Richtig auch, daß die Strafen lächerlich sind und die Gewinne der Fleischmafia hoch. Deshalb gehören jene, die kriminell herumetikettieren, an den Pranger. Denn nur wen der Verbraucher kennt, den kann er bestrafen. Fleisch, das in tiefgefrorenem Zustand ewig auf Abnehmer wartet, verliert nur Geschmack. Wurde aber die Kühlkette unterbrochen, gammelt es schon während der Mindesthaltbarkeit.
Ein Risikorest bleibt also, vor dem die Politiker nicht schützen können. Wer Fleisch will, muß ihn tragen. Den Besitzern der Dönerbuden bleibt die Hoffnung, daß schon der nächste Skandal den Kunden ihre Currywurst madig machen mag. Dann essen sie wieder Kebap.
Text: F.A.Z., 05.09.2006, Nr. 206 / Seite 1
MfG kiiwii
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