Abgekartetes SpielEine Überraschung sind die US-Forderungen nach deutschen Kampfeinsätzen in Afghanistan nicht. Das Mandat dafür hat der Bundestag längst erteiltVon Knut Mellenthin Das gemeinsame Kriegsgeschäft läuft routinemäßig: US-Verteidigungsminister Robert Gates (l.) und sein deutscher Kollege Franz Josef Jung (CDU) am 9.2.2007 in SevillaFoto: AP |
Künstliche Aufregung bei Regierung und staatstragender Opposition in Berlin: US-Verteidigungsminister Robert M. Gates hat in einem als »ungewöhnlich scharf« und »unangemessen« bezeichneten Geheimbrief die Bereitstellung deutscher Soldaten für Kampfeinsätze in Südafghanistan gefordert.
Man sei von dem Brief »überrascht« worden, behauptete Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag voriger Woche in aller Unschuld. Das Zeitunglesen scheint nicht zu seinen Aufgaben zu gehören. Sonst wüßte er, daß Gates sich schon Mitte Dezember öffentlich und nicht eben diplomatisch darüber beschwert hatte, daß sich etliche NATO-Verbündete am Afghanistan-Krieg nur unzureichend beteiligen. Gates sprach auf einer Konferenz im schottischen Edinburgh gesprochen, die an sich schon ein starkes politisches Signal war. Sie vereinigte nämlich ausschließlich die Verteidigungsminister jener acht Länder, die an der Aufstandsbekämpfung in Süd- und Südostafghanistan direkt beteiligt sind: USA, Großbritannien, Kanada, Niederlande, Australien, Dänemark, Estland und Rumänien. Zuvor hatte Gates seine scharfe Kritik an den »frustrierenden« Beiträgen einiger Verbündeter auch schon im Streitkräfteausschuß des Abgeordnetenhauses vorgetragen. Spiegel online titelte am 12. Dezember 2007: »Union und SPD über Ohrfeige aus den USA vergrätzt«. Von einer Überraschung kann man also jetzt nicht glaubhaft reden. TheatralischNeu ist das Thema ohnehin nicht: Schon im September 2006 hatten die 26 Mitgliedsstaaten der NATO beschlossen, die Truppen in den afghanischen Kampfzonen um mindestens 2500 Soldaten zu verstärken. Schon damals mahnte NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer vor allem Deutschland und Frankreich: »Diejenigen Verbündeten, die in Afghanistan weniger tun, sollten nachdenken, ob sie mehr tun können. Es gibt bestimmt eine Reihe von Bündnispartnern, die mehr tun könnten.«
Der Anspruch wurde zunächst öffentlich nicht weiterverfolgt. Die Truppenverstärkungen wurden von den ohnehin stark beanspruchten Streitkräften der USA und Großbritanniens gestellt. Alle paar Monate war aber die Forderung nach einer stärkeren deutschen Beteiligung an der Aufstandsbekämpfung wieder auf dem Tisch. Und während die Politiker in Berlin diese jedes Mal mit großem theatralischen Aufwand widersprachen, kamen sie ihm in Wirklichkeit in kleinen Schritten immer mehr entgegen. Inzwischen läuft das Geschäft so routiniert ab, daß man versucht ist, von einem abgekarteten Spiel zu sprechen.
Schon seit dem 28. September 2005 können deutsche Soldaten in alle Teile Afghanistans, auch zu Kampfeinsätzen, abkommandiert werden. Diesen militärischen Blankoscheck verabschiedete der Bundestag bei nur 14 Gegenstimmen; die PDS war damals lediglich mit zwei Abgeordneten vertreten. In der Folge stellte die Bundeswehr Fernmeldesoldaten für die Gefechte in der Provinz Kandahar ab. Deutsche Transportflugzeuge brachten Nachschub und Truppen in die Kampfgebiete. Seit Frühjahr 2007 wirken sechs deutsche »Tornado-RECCE«, sogenannte Aufklärungsflugzeuge, an Luftangriffen in allen Teilen Afghanistans mit. Im Oktober und November vorigen Jahres gab es die erste offensive Militäroperation, an der nicht nur Bundeswehrsoldaten beteiligt waren, sondern die auch unter deutschem Kommando stand. Schauplatz waren die Provinzen Badghis und Faryab in Nordwestafghanisatn. Die Führung der gesamten Operation lag beim Regionalkommandeur Nord der ISAF, dem deutschen Brigadegeneral Dieter Warnecke. AblenkungsmanöverDeutschland steckt längst mitten drin im Afghanistan-Krieg. Das Berliner Protestgeschrei gegen den Gates-Brief ist nur ein Ablenkungsmanöver. Ungewollt klar drückte sich der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, aus: Die USA sollten begreifen, daß die Bundesregierung die deutsche Bevölkerung »mitnehmen« müsse. Mitnehmen wohin? In einen Krieg, den eine große und zunehmende Mehrheit der Bevölkerung eigentlich ablehnt. Deshalb wird die klassische Salamitaktik einer Vielzahl von Einzelschritten verfolgt.
Wohl nicht zufällig fällt das Theater um den Gates-Brief mit dem schon beschlossenen nächsten großen Eskalationsschritt des deutschen »Engagements« in Afghanistan zusammen: ---ý -ý http://www.jungewelt.de/2008/02-04/053.php
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