Mobilfunk
Die Deutsche Telekom steckt Milliarden in ihre US-Mobilfunktochter, die derzeit einzige solide Sparte des Konzerns. Doch das ist eine gefährliche Strategie. Den Deutschen fehlen Verbündete. Von Thomas Heuzeroth
New York - Zumindest das eine hat er aus seinem alten Job herübergerettet. "Wir sind nicht die Kleinsten, sondern die Größten", sagt Robert Dotson gebetsmühlenhaft. Der einstige Mormonenprediger hat gelernt, wie man Botschaften verbreitet. Seit 2002 führt er die US-amerikanische Mobilfunktochter der Deutschen Telekom.
Dotson hat aus dem Sorgenkind des deutschen Konzerns eine Perle gemacht. Kein Geschäftsbereich wächst so stark wie die amerikanische Mobilfunktochter, die von der Telekom 2001 unter dem Namen Voicestream für 35 Milliarden Euro gekauft wurde. "Wir wollen T-Mobile USA zur größten Einzelgesellschaft des Konzerns ausbauen", sagte Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke am Freitag in New York. Doch dieses Vorhaben ist ziemlich riskant.
T-Mobile USA ist mit Abstand der kleinste der überregionalen Anbieter. Recht hat Dotson mit seiner Predigt nur, wenn er alle T-Mobile-Kunden dieser Welt addiert. Dann kommt er auf über 100 Millionen Handynutzer. Bleibt er auf dem eigenen Kontinent, sind es 23 Millionen. Die drei anderen landesweiten Anbieter haben jeweils mehr als doppelt so viele Kunden. Details halten ihn aber nicht auf. "Wachsen, wachsen, wachsen", umschreibt der T-Mobile-Chef seine Strategie. "Genau das erwartet die Deutsche Telekom von mir."
Konzernchef Ricke hat Dotson viel zu verdanken. Vielleicht sogar seinen Job. Im November ist Rickes Vertragsverlängerung über 2007 hinaus auf der Tagesordnung des Aufsichtsrates. Ohne Mobilfunk sähe es schlimm für Ricke aus. Fast überall im Konzern kriselt es. Dem Festnetz etwa laufen derzeit die Kunden in Scharen davon.
Deswegen ist Dotson Rickes Held. "T-Mobile USA ist der einzige Wachstumsmarkt des Konzerns", sagt Frank Rothauge, Analyst bei Sal. Oppenheim. Während die Märkte in Europa weitgehend gesättigt sind, wächst das Geschäft in den USA rasant. Innerhalb eines Jahres konnte die Telekom dort mehr als vier Millionen Kunden gewinnen. Die Marge ist bei fast 29 Prozent angekommen. Bald kommt jeder vierte Euro, den der Konzern umsetzt, aus den USA.
Im Vergleich zu Amerikanern sind Europäer wirkliche Handymuffel. 17 Stunden pro Monat sprechen Amerikaner in ihr Mobiltelefon, in Europa sind es nur drei Stunden. Die Handyrechnung liegt jenseits des Atlantiks mit etwa 40 Euro doppelt so hoch wie hier.
Die starke Nutzung und das schnelle Wachstum haben T-Mobile USA jedoch an die Grenze der Netzkapazität gebracht. Im Unterschied zu Deutschland gleicht die Mobilfunkabdeckung in Amerika wegen der teils dünnen Besiedlung einem Flickenteppich.
Wo Handyanbieter keine eigene Abdeckung haben, müssen sie ihre Kunden in fremden Netzen telefonieren lassen. Dieses sogenannte Roaming ist kostspielig. Deshalb ist die Deutsche Telekom mehr als andere auf neue Frequenzen angewiesen. Anders ließe sich das weitere Wachstum kaum bewältigen.
Aus der jüngsten Versteigerung von Mobilfunklizenzen sind die Deutschen als Höchstbieter hervorgegangen. Für 120 Lizenzen zahlt die Telekom nun 3,3 Milliarden Euro, unter anderem für die Märkte New York, Chicago und San Francisco. Ricke spricht jetzt von einer "klaren Angriffsstrategie".
Doch auch darüber hinaus lässt sich der Telekom-Chef sein US-Engagement einiges kosten. Einen großen Teil seiner Neun-Milliarden-Investition schiebt der Konzern in diesem Jahr in die USA. In den nächsten drei Jahren kommen weitere sieben Milliarden Euro dazu, auch für den Aufbau eines schnelleren Mobilfunknetzes.
Leisten kann sich das die Telekom, denn das US-Geschäft ist bereits seit einem Jahr profitabel. Die internen Pläne der Telekom reichen weiter. 2015 soll T-Mobile USA zwischen 35 und 40 Millionen Kunden zählen und den Marktanteil deutlich ausgeweitet haben. Bei der Netzkapazität kann die Telekom mit den neuen Lizenzen zumindest den Abstand zu ihren Konkurrenten ein wenig mindern.
T-Mobile USA war zurückgefallen, weil das Unternehmen bei den letzten Übernahmen außen vor blieb. Sprint hat Nextel im Sommer 2005 gekauft, AT&T Wireless war im Jahr zuvor an Cingular gefallen. Immer wieder wurde Ricke von Analysten dazu gedrängt, sein US-Geschäft zu verkaufen. Heute ist er froh, dass er es nicht getan hat.
Es gäbe auch kaum noch jemanden, der jetzt zugreifen könnte. Weil die Netzbetreiber auf verschiedene Technologien setzten, käme eigentlich nur noch Cingular mit dem GSM-Standard infrage. Doch nach der Fusion mit AT&T Wireless wäre ein solches Vorhaben kartellrechtlich problematisch.
Trotz allem kann sich T-Mobile USA nicht sicher fühlen. Während die zwei größten Anbieter Töchter großer Festnetzgesellschaften in den USA sind und Sprint Nextel auf Kooperation mit Kabelnetzanbietern setzt, ist die Telekom-Tochter auf sich allein gestellt. Und immer häufiger fragen Kunden nach Komplettangeboten für Internet, Fernsehen, Telefonieren zu Hause und unterwegs. Das kann T-Mobile nicht bieten. "Wozu auch", fragt Unternehmenschef Dotson. "Wir wachsen doch auch so."
Artikel erschienen am 08.10.2006
Artikel drucken WELT.de 1995 - 2006
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