Das gibt noch einen lustigen Tanz, da unten, wenn es so weitergeht.
Das türkische Militär hat mit der Invasion des Nordirak begonnen. Das meldete vor kurzem der Sender CNN. Von Militärbewegungen könne ?derzeit? keine Rede sein, ließ dagegen der türkische Fernsehsender NTV Militärkreise verlauten.
HB DIYARBAKIR. Am Donnerstag hatte ein Parlamentsbeschluss den Weg für einen Einmarsch frei gemacht. Ankara stößt mit diesem Ansinnen aber auf erbitterten Widerstand der USA. Auf Grund dieses Streits haben die Türkei und die USA auch noch keine Vereinbarung über die Öffnung des türkischen Luftraums für amerikanische Angriffe auf den Nordirak unterzeichnet. Das Parlament hatte den USA die Nutzung des türkischen Luftraums für den Irak-Krieg ebenfalls am Donnerstag gestattet. Damit könnten amerikanische Kampfflugzeuge von ihren Stützpunkten in Europa über die Türkei nach Irak fliegen und Truppen nach Nordirak transportieren.
Das Vorgehen des Nato-Partners Türkei im kurdischen Nordirak wird in Washington mit großem Misstrauen verfolgt. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, warnte Ankara vor ?Eigenmächtigkeiten?. Jeder Militäreinsatz müsse mit der von den USA geführten Militärkoalition koordiniert werden. Warnende Töne kamen auch aus Brüssel. Die Nachbarländer des Iraks sollten alles vermeiden, was die Stabilität in der Region gefährden könnte, verlautete beim EU-Gipfeltreffen.
Die Amerikaner wehren sich gegen einen unilateralen Einmarsch der Türken, weil dadurch ihre Absprachen mit lokalen kurdischen Organisationen Nordirak zu Fall gebracht werden könnten. Außerdem befürchtet Washington die Verwicklung der türkischen Verbände in Kämpfe mit kurdischen Milizen. Die hatten eine Invasion der Türkei bislang strikt abgelehnt und ihre 70 000 unter Waffen stehenden Soldaten dem Oberkommando der USA unterstellt. Zugleich aber hatten sie der Türkei energischen Widerstand gegen ein Eindringen zu verstehen gegeben. Washington hingegen wollte eine türkische Beteiligung an der Invasion des Irak unter der Bedingung zulassen, dass sämtliche Verbände einem US-Kommando unterstellt werden.
Die Interessen der USA und der Türkei könnten unterschiedlicher kaum sein. ?Die USA haben ihre Probleme mit der irakischen Führung, die Türkei mit der irakischen Opposition?, schrieb der ?Milliyet?-Kommentator Fikret Bila. ?Washington möchte Bagdad kontrollieren, Ankara den Nordirak.? Die Türkei verfolgt offiziell andere Ziele als die USA im Nordirak. Ihr geht es nicht um eine Beseitigung des Saddam Regimes, daher will sie unabhängig operieren.
Ankara will vor allem die Grenzen gegen einen Flüchtlingsstrom versiegeln. Nicht mehr als 80 000 Flüchtlinge sollen nach türkischen Angaben über die Grenze gelangen. Die türkische Armee untermauert ihren Anspruch, auf irakisches Territorium vorzudringen offiziell mit humanitären Aufgaben der Armee. Kurdische Organisationen befürchten allerdings, dass Ankara noch weitere Absichten mit dem Einmarsch verbinden will, etwa die Bekämpfung militanter kurdischer Gruppen, die immer wieder in die Türkei einsickern.
?Mit irakischem Boden haben wir ganz und gar nichts im Sinn?, bekräftigte Außenminister Abdullah Gül dieser Tage. Wichtig sei der Türkei, Flüchtlingsströme vor der türkischen Grenze zum Halten zu bringen und ein ?Vakuum? im Nordirak zu verhindern, das sich der Erzfeind des türkischen Militärs, die kurdische Arbeiterpartei PKK, zu Nutze machen könnte.
HANDELSBLATT, Freitag, 21. März 2003, 14:47 Uhr
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