Die prognostizierte Techno-Baisse ist im vollen Gange. Der technologielastige Nasdaq-Index in den USA ist bisher um 40 Prozent gefallen, der Nemax 50 in Deutschland sogar um 60 Prozent. Das Bizarre daran ist, dass der 60-prozentige (!) Indexverlust die Entwicklung am Neuen Markt noch zum Positiven hin überzeichnet. Nach wie vor sind am Neuen Markt agierende institutionelle Fondsmarktteilnehmer in fundamental noch immer völlig überteuerten Titeln, wie EM.TV, Intershop oder T-Online, extrem überinvestiert. Hintergrund sind die hohen Indexgewichtungen dieser Aktien, zu denen teilweise verantwortungslos handelnde Fondsmanager am Neuen Markt durch ihre kritiklosen und unter Außerachtlassung jeglicher fundamentaler Bewertungskriterien getätigten Käufe geschaffen bzw. zumindest verstärkt haben. Die ständigen Mittelzuflüsse wurden einfach nach dem Indexschlüssel aufgeteilt. Dies führte dazu, dass große Aktien immer teurer wurden und der Index immer mehr stieg, was wiederum sofort begeisterte Neuzuflüsse unter den Kleinanlegern auslöste. Im Frühjahr dieses Jahres kam es sogar zu historischen Rekordzuflüssen in Wachstums- bzw. Neuer-Markt-Fonds, während Value-Aktienfonds massive Abflüsse hinnehmen mussten, ebenso konservative Bond-Fonds.
Gleichzeitig setzte man nach fundamentalen Kriterien operierende Value-Fondsmanager vor die Tür, während man junge chartorientierte New-Economy-begeisterte Momentum-Fondslenker an die Geldschalthebel setzte. Technische Neuer-Markt-Analysten argumentieren nun, dass der Index inzwischen 40 Prozent von seiner 200-Tage-Linie nach unten entfernt sei und man antizyklisch wieder mit ersten Käufen beginnen könne. Dabei wird jedoch übersehen, dass im Frühjahr, als die von Rekord-Fondszuflüssen geprägte Spekulationswoge am größten war, der Nemax-50-Index fast 100 Prozent von seinem gleitenden 200-Tage-Durchschnitt nach oben entfernt war. Obwohl das Pendel sich inzwischen deutlich in die andere Richtung bewegt hat, besteht also noch genügend Spielraum zum Abbau der extremen Ungleichgewichte.
Bedenkt man, dass einige Fondsgesellschaften zuletzt noch immer von Zuflüssen bei Neuer-Markt-Fonds berichtet haben, so dürfte die eigentliche Marktbereinigung noch bevorstehen. Sobald es zu stärkeren Rückgaben von Aktienfonds-Zertifikaten am Neuen Markt kommt, werden die Fondsmanager gezwungen, ihre illiquiden, fundamental überteuerten, hoch gewichteten Modeaktien zu verkaufen, was die Abgabebereitschaft der Fondssparer wiederum verstärken dürfte. Es würden dieselben Mechanismen greifen, die den Neuen Markt extrem nach oben aufgebläht haben, nur diesmal mit umgekehrtem Vorzeichen. Fazit: Solange die Marktbereinigung nicht eingetreten ist, bleiben die Risiken am Neuen Markt unverhältnismäßig hoch. Anleger sollten deshalb trotz bereits herber Kursverluste die Konsequenz ziehen und sich von Neuer-Markt-Fonds rechtzeitig trennen. 18.10.2000 Dr. Jens Ehrhardt
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