Medienfirmen kämpfen ums Überleben - auch Intertainment gefährdet MÜNCHEN (dpa-AFX) - Viele kleinere Medienfirmen in Deutschland kämpfen verzweifelt ums Überleben. In den Hochzeiten des Neuen Markts gaben einige vor allem in Hollywood das Geld für Filme oder Lizenzen mit vollen Händen aus. Heute belasten hohe Abschreibungen und Schulden die Bilanzen. So ist von den Ex-Börsenstars nicht mehr viel übrig. Die Kinowelt Medien AG hat ein Insolvenzverfahren hinter sich, EM.TV & Merchandising AG kann nur durch einen Gläubigerverzicht in einer neuen AG überleben, Helkon Media AG ist pleite, und vor wenigen Tagen musste der Filmproduzent Senator Entertainment AG Insolvenzantrag stellen. Auch der Münchner Intertainment AG droht möglicherweise das Aus. Am Dienstag (20. April) startet in den USA ein Prozess gegen den früheren US-Partner Franchise.
Nur, wenn sich Intertainment in dem Verfahren schnell durchsetzen sollte, hat das Unternehmen eine Perspektive. "Wenn sie nicht klar gewinnen, wird es eng", heißt es in Branchenkreisen. Schon im Geschäftsbericht 2002 hatte Intertainment auf eine Insolvenzgefahr bei ungünstigem Ausgang des Rechtsstreits hingewiesen. Die Medienfirma wirft Franchise betrügerisch überhöhte Filmbudgets vor und hofft auf Schadenersatz von mehr als 100 Millionen Dollar. Sollte Geld fließen, könnte Intertainment einen 16-Millionen-Euro-Kredit zurückzahlen, der im Juni fällig wird, und seine laufenden Kosten tragen.
ÜBERHÖHTE BUDGETS
Franchise-Chef Eli Samaha hat inzwischen überhöhte Budgets eingeräumt. Dass Intertainment allerdings schnell Geld von dem trickreichen US-Produzenten sehen wird, gilt als unwahrscheinlich. "Selbst, wenn die den Prozess drei Mal gewinnen, ist da nichts mehr zu holen", meinte ein Medienexperte in Hollywood. Samaha habe schon längst Geschäft und Vermögensgegenstände aus Franchise ausgelagert. Dabei half ihm die Tatsache, dass der Prozess unter dubiosen Umständen drei Mal verschoben wurde. "Es war doch von Anfang an klar, dass ein deutsches Unternehmen bei einer Klage in den USA kaum eine Chance hat", sagt ein Branchenkenner. Es sei fraglich, ob Samaha mit seinem Privatvermögen oder anderen Firmen haften müsse.
VERMARKTUNG VON US-FILMLIZENZEN
In der Börsenblase war Intertainment, auf die Vermarktung von US- Filmlizenzen in Deutschland spezialisiert, einmal weit über eine Milliarde Euro wert. In der Branche herrschte Goldgräberstimmung. "Bei einem äußerst knappen Filmangebot, einer steigenden Anzahl von Fernsehsendern und wachsendem Programmbedarf steigen die Preise für Lizenzrechte", frohlockte Intertainment vor dem Börsengang. Andere machten die selbe Rechnung auf. In Hollywood machte das Schlagwort vom "Silly Money" (dummes Geld) aus Deutschland die Runde.
Intertainment hatte 1999 eine Partnerschaft mit Franchise Pictures vereinbart. Die Münchner verpflichteten sich, innerhalb von fünf Jahren 60 von Franchise produzierte Filme abzunehmen. Während Franchise den Banken und Versicherungen in den USA die tatsächlichen Budgets vorgelegt haben soll, bekam Intertainment überhöhte Planungen und Rechnungen vorgelegt. Auch andere deutsche Filmfirmen sollen betroffen gewesen sein, aber das Risiko und die Kosten einer Klage in den USA gescheut haben. Dabei spielten nach Einschätzung von Intertainment auch die Banken und Versicherungsgesellschaften eine unrühmliche Rolle. Franchise-Chef Samaha wiederum geht davon aus, dass Intertainment gewusst habe, dass die vorgelegten Budgets überhöht waren. Im Gegenzug habe sich das Unternehmen mit prominenten Filmstars brüsten und den Aktienkurs in die Höhe treiben können.
OPERATIVES GESCHÄFT ZUM ERLIEGEN GEKOMMEN
Die Auseinandersetzung hat das operative Geschäft von Intertainment zum Erliegen gebracht. Die Zusammenarbeit mit dem Filmproduzenten Arnold Kopelson, auf die Intertainment große Hoffnungen setzte, musste aus Kostengründen beendet werden. In den ersten neun Monaten 2003 machte der Konzern noch einen Umsatz von 4,1 Millionen Euro, aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Die Liquidität beträgt derzeit nur noch ein paar Millionen Euro. Wenn der Prozess nicht glorreich gewonnen wird, kann Intertainment als letztes Tafelsilber möglicherweise noch eine Beteiligung an der US-Firma Sightsound Technologies verkaufen und sich aber wohl nur kurzfristig Luft verschaffen.
An der Börse regiert weiterhin das Prinzip Hoffnung. Einige Anleger wetten auf einen Prozesserfolg. Bei einem Aktienkurs von rund 4,80 Euro wird das Unternehmen noch immer mit gut 56 Millionen Euro bewertet. Die Hoffnung stirbt zuletzt./ax/DP/js
---Von Axel Höpner dpa--- © dpa - Meldung vom 15.04.2004 10:44 Uhr
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