Spiegel online 06.09.2009 Geldanlage Börsenprofis empfehlen Solaraktien aus China Von Esther Wiemann
Die Solarbranche steckt in einer tiefen Krise. Die Preise für Module fallen im Eiltempo, die Aktienkurse der Hersteller brechen ein. Analysten sind trotzdem optimistisch: Sie sagen den Ökofirmen ein gigantisches Wachstum voraus - vor allem in China. Hamburg - Wer früher in Solaraktien investierte, konnte nicht nur sein ökologisches Gewissen beruhigen: Vor gar nicht langer Zeit gab es auch üppige Renditen, ein Kursplus von 200 Prozent pro Jahr war keine Seltenheit. Doch jetzt hat sich die Entwicklung umgekehrt. Der Boom der Solarwerte ist vorbei, allein die Aktie des deutschen Marktführers Q-Cells hat in diesem Jahr fast zwei Drittel ihres Wertes eingebüßt. Was ist der Grund für die Misere? Und vor allem: Wann könnte sich die Lage wieder bessern? Geht es nach den meisten Analysten, bleiben Solaraktien in den kommenden Monaten im Keller. Für viele Unternehmen könnte es sogar noch schlimmer kommen. Denn gegenwärtig ist das Angebot an Solaranlagen wesentlich größer als die Nachfrage. "Der Preiskampf ist brutal. Wer da nicht mithalten kann, verschwindet vom Markt oder wird im besten Fall übernommen", sagt Michael Tappeiner, Analyst der Bank UniCredit. Zu schaffen machen den Unternehmen der Einbruch auf dem spanischen Solarmarkt, einem der größten der Welt. Die Regierung in Madrid hatte die Subventionen für Solaranlagen deutlich heruntergefahren. Auch die Finanzkrise hat drastische Auswirkungen: Viele Großprojekte würden von Banken nicht mehr finanziert, sagt Tappeiner. Vor allem aber leidet die Branche unter der Konkurrenz aus Asien. "Die dortigen Hersteller bieten ihre Produkte teilweise 20 Prozent billiger an als heimische Unternehmen", schätzt Tappeiner. Chinesische Firmen wie Suntech Power können mit ihren geringeren Personalkosten wesentlich günstiger produzieren als ihre deutschen Konkurrenten. Deutsche Solaraktien sind nicht unbedingt erste Wahl "Früher war der Zugang zu den Rohstoffen entscheidend", sagt Tappeiner. Vor allem die Verfügbarkeit von Silizium entschied über den Erfolg oder Misserfolg einer Solarfirma. Heute ist das anders: Die Preise für Polysilizium sind massiv eingebrochen, auf der Einkaufsseite haben die Hersteller keine Probleme. Ausschlaggebend ist jetzt nur noch ein Kriterium: der Absatz - und damit der Marktzugang. Produzenten von Dachanlagen für Privatkunden wie Aleo Solar mit einem guten Netzwerk an Installationsfirmen stehen deshalb besser da als Hersteller, die auf große Solarparks spezialisiert sind, sagt Tappeiner. Auch Firmen am Ende der Wertschöpfungskette ohne eigene Produktion sind nach Einschätzung von Experten besser dran. Die Herstellungskette beginnt beim Silizium, dann folgen Wafer, Zellen und schließlich Module. Danach kommen die Projektierer, Handwerker und Betreiber: Sie profitieren in der Regel von niedrigen Modulpreisen. Allerdings halten sich auch hier die Kunden derzeit zurück - in der Hoffnung auf noch bessere Preise. Für Anleger heißt das vor allem eins: Deutsche Solaraktien sind nicht unbedingt erste Wahl. "Aufgrund der teilweise drastischen Preisunterschiede zu asiatischen Wettbewerbern erscheinen Investitionen in deutsche Produkthersteller risikoreich", sagt Sebastian Growe, Solarexperte der equinet AG. Risiko Bundestagswahl Am härtesten ist derzeit der Markt für Solarmodule und Sollarzellen umkämpft. Für die deutschen Hersteller sind die Preise binnen eines Jahres um bis zu 30 Prozent gefallen. In diese Sparte gehören Unternehmen wie Solon und Q-Cells. Die Solon-Aktie beispielsweise ist von rund 90 Euro unter zehn Euro abgestürzt. Selbst seine unter den Markterwartungen liegenden Prognosen hat das Unternehmen nicht erfüllt. "Insgesamt sind aktuelle Prognosen mit vielen Unwägbarkeiten behaftet", erklärt der Fachmann. Entscheidend sei beispielsweise, wie sich die politische Diskussion nach der Bundestagswahl entwickele. Wenn die Solarförderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz weiter beschnitten werde, könnte sich dies zusätzlich negativ für die Hersteller auswirken. Große Kurssprünge seien zumindest in nächster Zeit nicht zu erwarten, sagt Growe. Einigermaßen glimpflich kommen bisher die Zulieferunternehmen der Solarbranche davon, zum Beispiel Manz Automation , Centrotherm oder Roth & Rau. Die Anlagenbauer würden sogar vom Kapazitätsaufbau in Asien profitieren, sagt Erkan Aycicek, Analyst für Solaraktien bei der Landesbank Baden-Württemberg. Dennoch sei auch hier Euphorie fehl am Platz: Die Unternehmen bekämen den Preisdruck ebenfalls zu spüren. Auf Dauer habe der Einbruch in der Branche allerdings etwas Gutes: "Durch die dramatisch sinkenden Preise wird der Solarstrom günstiger, unabhängig von Subventionen und damit wettbewerbsfähig", sagt Aycicek. Das dauere aber noch einige Zeit. Bis dahin werde sich die Spreu vom Weizen trennen. Erst dann werde sich zeigen, wer die tatsächlichen Gewinner sind. Hoffnung auf Expansion - zumindest langfristig Immerhin: 2010 könnte der Markt schon wieder wachsen, glaubt Hartmut Moers, Analyst vom Bankhaus Sal. Oppenheim. Ab 2011 könnte dann sogar eine starke Expansionsphase einsetzen. Da in der Vergangenheit gutes Geld zu verdienen war, kämpfe die Branche noch mit drastischen Überkapazitäten. Werde der Markt nun aber durch Pleiten und Übernahmen bereinigt, dann stehe den verbleibenden Firmen eine profitable Zukunft bevor - zumal der technologische Fortschritt stetig voranschreite. Im Ergebnis könnte dies bedeuten, dass wenige Global Player den Markt dominieren. "Etwa sechs bis zehn Unternehmen mit globalen Produktionsstätten werden das sein", schätzt Moers. Gute Karten hätten große, finanzstarke Firmen, die an der gesamten Wertschöpfungskette entlang produzieren. Unter den deutschen Herstellern trifft dies vor allem auf Solarworld zu. Zwar ging auch hier der Umsatz zurück, immerhin macht das Unternehmen aber weiter Gewinn. International, schätzen Analysten, könnten das US-Unternehmen First Solar oder der chinesische Hersteller Suntech zu den Gewinnern zählen. Daneben haben auch Anbieter von Nischenprodukten und innovative Unternehmen eine Chance, sich am Markt zu halten. Dass sich das Geschäft komplett nach Asien verlagert, glaubt Moers deshalb nicht. "Auch die chinesischen Hersteller kämpfen mit der schwierigen Marktsituation." Langfristig sind die meisten Experten sogar optimistisch. Manche erwarten für die kommenden Jahre schon wieder zweistellige Wachstumsraten. Fragt sich nur, wer bis dahin durchhält.
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