18. Februar 2005
Für die nächsten Jahre ist man beim badischen Internet-Dienstleister WEB.DE zuversichtlich. Der Vorstand erwartet ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 35 bis 40% bei weiter steigender Profitabilität. Das wird dem TecDAX-Titel sicher weiter Rückenwind geben ? langfristig. Für die nächsten Wochen sieht Henning Wagener von AC Research allerdings eher rückläufige Zahlen.
AnalystCorner fragte nach, wie Henning Wagener die jüngsten Quartalszahlen der Karlsruher einstuft. Außerdem zeigt der Analyst von AC Research auf, welche Geschäftsbereiche in den nächsten Jahren zu den Hoffnungsträgern gehören und wo die Schwachstellen bei dem Internet-Unternehmen liegen.
AC: Herr Wagener, WEB.DE ist als so genannter Internet-Portalbetreiber aktiv. Womit genau verdienen die Karlsruher ihr Geld?
Wagener: Die WEB.DE AG ist in den drei Segmenten Online-Werbung, E-Commerce und Digitale Dienste tätig. Dabei ist der WEB.DE-Club mit rund 370.000 zahlenden Mitgliedern einer der erfolgreichsten Bezahldienste im Internet. Im Bereich E-Commerce vermarktet die Gesellschaft in Kooperationen mit renommierten Produkt- und Serviceunternehmen in großen Kampagnen Premiumprodukte auf Erfolgsbasis.
AC: Wie bewerten Sie die vorläufigen Zahlen für das vierte Quartal?
Wagener: Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar um 30% auf 12,1 Mio. Euro, doch dies lag leicht unter unseren Erwartungen. Ebenso das Quartals-EBITDA von 1,5 Mio. Euro. Das Nachsteuerergebnis fiel dagegen mit 0,9 Mio. Euro zufriedenstellend aus.
AC: Sind die Wachstumsraten für das Gesamtjahr ähnlich hoch ausgefallen?
Wagener: Ja, im Gesamtjahr stieg der Umsatz um 31% auf 43 Mio. Euro. Das EBITDA verbesserte sich um 0,6 Mio. auf 4,4 Mio. Euro. Das Nachsteuerergebnis sank allerdings auf Grund von Sonderabschreibungen in Höhe von 3,9 Mio. auf jetzt minus 2,4 Mio. Euro.
AC: Sie haben die einzelnen Geschäftsbereiche bereits angesprochen. Welche Sparten laufen am besten?
Wagener: Am aussichtsreichsten entwickelt sich der Bereich der Digitalen Dienste. Hier konnte die Gesellschaft die Mitgliederzahl deutlich steigern. Der Online-Werbemarkt hat sich dagegen nicht im erhofften Umfang erholt.
AC: Was kann man von WEB.DE noch erwarten?
Wagener: Für das laufende Geschäftsjahr strebt WEB.DE eine Umsatzsteigerung von 35 bis 40% an. Gleichzeitig soll das Konzernergebnis wieder positiv ausfallen. Dabei gehen wir von einem weiterhin sehr starken Wachstum im margenstarken WEB.DE-Clubgeschäft aus.
AC: Gibt es weitere Hoffnungsträger?
Wagener: Das Management setzt vor allem auch auf den Bereich Web-Telekommunikation. Dieses Segment steht aber erst am Anfang seiner Entwicklung. So wurde hier in 2004 nur ein Umsatz von 0,7 Mio. Euro erwirtschaftet. Gleichzeitig ist ein hoher Segmentverlust angefallen. Für das laufende Geschäftsjahr ist mit dem Roll-Out des Produktes Com.Win zu rechnen. Allerdings sind die Erfolgsaussichten derzeit kaum einzuschätzen.
AC: Wie sieht es im Portalgeschäft aus?
Wagener: Da rechnen wir auf jeden Fall auch im laufenden Geschäftsjahr wieder mit einer erfreulichen Entwicklung. Dieser Geschäftsbereich wird auch in den kommenden Jahren die tragende Säule des Konzerns bleiben.
AC: Die Aktie hat bereits positiv auf das Zahlenwerk reagiert. Wie steht es um die Bewertung auf dem aktuellen Kursniveau?
Wagener: Beim Aktienkurs von 7,80 Euro wird das Unternehmen momentan mit rund 300 Mio. Euro bewertet. Das KUV 2005e liegt damit bereits bei mehr als 5. Der Marktkapitalisierung stehen dabei allerdings auch noch liquide Mittel von 107,6 Mio. Euro gegenüber.
AC: Daher raten Sie von einem Investment in den TecDAX-Titel ab, oder?
Wagener: Das ist richtig. Wir empfehlen derzeit, die Aktien der WEB.DE AG zu verkaufen. Dem erfreulichen Portalgeschäft werden aus unserer Sicht Belastungen aus dem Bereich Web-Telekommunikation entgegenstehen. Insgesamt sind die Erfolgsaussichten dieses Bereichs unserer Meinung nach derzeit unsicher. Deshalb ist das Unternehmen aus unserer Sicht ambitioniert bewertet. Daher sehen wir in den kommenden Wochen Rückschlagspotenzial für die Aktie.
Das Gespräch führte Michael Schröder
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