Zeichen stehen auf Sturm In Ankara gibt sich kaum noch jemand Illusionen hin.Die Wut des türkischen Außenministers Abdullah Gül war noch nicht verraucht, als er das Flugzeug nach Luxemburg bestieg.
Wieder einmal hatten ihm die 25 Länder der Europäischen Union nervenaufreibende Stunden des Wartens abverlangt, bevor die EU-Außenminister am Montagabend ein erstes Kapitel im Verhandlungsmarathon mit der Türkei eröffneten und als vorläufig erledigt wieder zur Seite legten.
Besorgte Kommentatoren "Wenn schon ein unverfängliches Thema wie die Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung für derartige Turbulenzen sorgt, wie soll es dann erst weitergehen, wenn es bei den auf mindestens zehn Jahre angelegten Verhandlungen ans Eingemachte geht?" fragten sich am Dienstag besorgte Kommentatoren in der Türkei.
Wie im Oktober 2005, als die EU die Grundsatzentscheidung für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei traf, war es wieder Zypern, das aus türkischer Sicht Sand ins Getriebe streute.
Deutliche Warnung an Türkei Zwar konnte sich die Regierung in Nikosia nicht mit der Forderung durchsetzen, Ankara müsse Zypern endlich diplomatisch anerkennen.
Allerdings richteten die EU-Außenminister die deutliche Warnung an die Türkei, dass die Verhandlungen scheitern könnten, falls die Türkei die Zollunion mit der EU nicht auf Zypern ausweite.
"Launen" Nikosias Je schneller das geschehe, desto besser, merkte Erweiterungskommissar Olli Rehn an. Doch Wut und Enttäuschung des türkischen Außenministers zielten nicht nur auf Zypern und dessen Blockade - mehr noch vielleicht auf die 24 übrigen EU-Mitglieder, die den "Launen" Nikosias wieder einmal Raum gegeben hätten, wie türkische Kommentatoren schrieben.
Man dürfe nicht zulassen, dass die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU "unnötig vergiftet" würden, sagte Gül in Luxemburg. Solidarität mit einem EU-Mitglied sei in Ordnung, aber nicht, wenn dieses "auf einem falschen Weg" sei.
"Nur ein Schluckauf" Aus Sicht der Türkei war es bereits ein Fehler, dass Zypern im Mai 2005 in die EU aufgenommen wurde, ohne zur Überwindung der jahrzehntealten Teilung der Mittelmeerinsel angehalten zu werden.
Dass die Zeichen in den Beziehungen zur EU auf Sturm stehen, darüber macht sich in der Türkei kaum jemand Illusionen. "Was wir in Luxemburg erlebt haben, war nur ein Schluckauf", schrieb ein Kolumnist der liberalen türkischen Zeitung "Radikal" am Dienstag.
Schwere Kapitel im Herbst Spätestens im Herbst, wenn die Öffnung türkischer Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Jets erneut auf die Tagesordnung komme, sei mehr als nur eine Mini-Krise programmiert.
"Natürlich wird die zypriotische Regierung diese Waffe bis zum Ende einsetzen", gibt der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan unumwunden zu. Auch wenn er es gar "nicht schick" findet, die Abarbeitung der insgesamt 35 Verhandlungskapitel, die der Türkei den Weg in die EU bahnen sollen, mit der Zypern-Frage zu vermengen.
Gül will Reformen vorantreiben Die in Luxemburg vorgetragene Kritik am Stand der türkischen Reformen, die vorrangig auf Missstände bei der Meinungs- und Religionsfreiheit abzielt, nimmt sich die Türkei dagegen eher zu Herzen.
"Der Reformprozess muss stärker vorangetrieben werden", so Gül und er versicherte: "Bis Oktober werden wir eine beträchtliche Wegstrecke zurücklegen. Das Einzige, was wir nicht machen können, sind Zugeständnisse in der Zypern-Frage."
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