Solarindustrie: Die Branche verbucht Rekordaufträge. Viele Unternehmen schreiben wieder schwarze Zahlen. von Oliver Ristau, Euro am Sonntag
Um den Absatz von Elektroautos anzukurbeln, sucht der Autobauer Audi die Nähe zur Sonne. Mit Solarsystemen, die die Batterie laden können, zu Sonderkonditionen wollen die Ingolstädter ihr neues Modell A3 e-tron den US-Autofahrern schmackhaft machen. Das ist zum einen Imagepflege. Der Marketingkniff des deutschen Premiumanbieters signalisiert aber auch: Strom aus Photovoltaik, aus der Solarzellentechnik, ist nicht nur öko und damit angesagt, er setzt sich auch im Alltag immer mehr durch. Im sonnenverwöhnten Kalifornien, dessen hohe Energietarife sprichwörtlich sind, kostet selbst erzeugter Sonnenstrom die Haushalte nicht mehr als zehn Cent je Kilowattstunde (kWh). Auch in Deutschland ist die Energie vom eigenen Solardach mittlerweile günstiger als Steckdosenstrom. "Solarenergie ist in vielen Anwendungsbereichen wettbewerbsfähig geworden", sagt Solarmarktanalyst Stefan de Haan vom renommierten Marktforscher IHS.
Zwar sind die Kostenvorteile gegenüber konventioneller Energiegewinnung noch nicht groß, aber die Zeiten, in denen die Photovoltaik großzügig alimentiert werden musste, damit sie gekauft wurde, sind vorbei. Grund ist der immense Preisverfall bei der Technik selbst: Allein seit 2011 haben sich die Notierungen von Zellen und Modulen halbiert.
Heftiges Beben Was für Verbraucher eine Freude ist, hat die Branche heftig durchgerüttelt. Viele Pioniere von einst sind vom Markt verschwunden, weil sie den Preiskampf finanziell nicht durchhalten konnten. Jüngstes Beispiel ist die Freiburger SAG Solarstrom, die 1999 an die Börse gegangen war und soeben billig vom chinesischen Wettbewerber Shunfeng aus der Insolvenz herausgekauft wurde. Ende des vergangenen Jahrtausends kostete deutscher Solarstrom noch 0,75 Cent je Kilowattstunde. Die Industrie setzte damals weltweit pro Jahr so viel ab wie heute in zwei Tagen. Als Deutschland die Technologie dann großzügig zu fördern begann, erlebte die Branche einen Boom, der neue Solarfabriken wie Pilze aus dem Boden schießen ließ. Chinesische Konkurrenten entfachten daraufhin mit Überkapazitäten und Kampfpreisen einen Verdrängungswettbewerb.
Als nach der Schuldenkrise die staatlichen Förderprogramme eingestampft wurden, schlitterten deutsche Produzenten, darunter große Namen wie Q-Cells oder Solon, reihenweise in die Insolvenz. Milliarden an Aktienkapital wurden verbrannt.
Produktionsauslastung steigt Doch der Rauch lichtet sich. Mit den Pleiten und Stilllegungen haben sich auch die Kapazitäten weltweit reduziert. "Es gibt derzeit kein nennenswertes Überangebot. Die Solarunternehmen produzieren mit einer Auslastung wie seit Jahren nicht mehr ", sagt Experte de Haan. Waren die Fabriken der Zellenindustrie vor zwei Jahren nur zu 60 Prozent ausgelastet, liegt die Rate jetzt bei 80 Prozent.
Die Industrie atmet auf. US-Solarhersteller und Audi-Partner Sunpower berichtete jüngst über Volldampfproduktion und steigende Abverkäufe im zweiten Quartal. Die deutsche Solarworld freute sich über Rekordabsätze im Juli und August. Produzenten wie Chinas Shunfeng vollzogen den Turnaround.
Während die Zahl der Anbieter sinkt, steigt die Nachfrage kontinuierlich. 2014, das steht schon jetzt fest, wird ein weiteres Rekordjahr werden. Das US-Analysehaus Solarbuzz etwa rechnet mit einem Absatzsprung im Vergleich zum Vorjahr von 30 Prozent auf eine neu installierte Solarleistung von 50 Gigawatt - rechnerisch entspricht das mehr als 30 Kernkraftwerken.
Nach Wert hat der weltweite Solarmarkt damit ein Volumen von mehr als 50 Milliarden Euro erreicht. Auch in den kommenden Jahren kann die Industrie laut IHS mit Wachstumsraten von jährlich 15 Prozent rechnen. Damit würden dann im Jahr 2018 doppelt so viele Solarmodule installiert wie noch im vergangenen Jahr.
Während in Deutschland und Europa die Geschäfte nach den Kürzungen der staatlichen Förderung weiterhin schleppend laufen, brummt der Absatz in Asien und Nordamerika. Um sichere Absatzmärkte für die eigene Industrie zu schaffen, hatte China vor wenigen Jahren riesige Förderprogramme aufgelegt. Seit 2013 ist das Land der größte Solarmarkt der Welt. Die Installationen haben sich im vergangenen Jahr gegenüber 2012 verdoppelt. Bis 2018 sehen Analysten weitere 50 Prozent Wachstum voraus.
Auch Japan, das in den 90er-Jahren den Weltmarkt anführte, dann aber deutlich in Richtung Kernkaft umschwenkte, hat sich nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima wieder der Sonne zugewandt. Die Nachfrage hat sich seitdem vervielfacht.
Für die europäische Industrie sind aber die USA zum wichtigsten Absatzmarkt geworden - obwohl die Staaten durch die mittels neuer Techniken erschlossenen Gasvorräte billige Energie im Überfluss haben. Hintergrund sind die in vielen Bundesstaaten geltenden Pflichten für Energieversorger, wachsende Quoten an erneuerbaren Quellen zu erfüllen. "Strom aus Photovoltaik ist in den USA die billigste regenerative Energiequelle", sagt de Haan. Deshalb bauen viele Versorger Solarzellen- statt Windkraftwerke auf.
Kosten sinken mit Daneben setzt sich die Solarenergie verstärkt in kleineren Märkten durch: in Asien, Afrika und Südamerika. Wegen der wachsenden Nachfrage in Mexiko oder Chile etwa sehen spanische Hersteller wieder einen Hoffnungsschimmer. Sie waren wegen des Förderstopps im Heimatland in Schieflage geraten.
Mit den wiederbelebten Geschäften lehnt sich der letzte verbliebene große deutsche Hersteller Solarworld erneut aus dem Fenster und prognostiziert nach Jahren des Preisverfalls zum Jahresende wieder steigende Modulpreise. "Für einzelne Quartale kann es mal nach oben gehen. Doch grundsätzlich wird die Solartechnik weiter billiger", schränkt de Haan ein. Er schätzt die jährlichen Abschläge der Modulpreise auf fünf Prozent. Der Unterschied zu den Vorjahren: "Die Firmen werden die Produktionskosten im gleichen Maße senken können."
Noch allerdings ist die Sonnenindustrie nicht aus dem Gröbsten heraus. "Die Konsolidierung ist nicht abgeschlossen. Es ist nicht ausgemacht, dass die Firmen, die heute vorn sind, auch noch 2020 den Markt bestimmen", sagt de Haan. Ab Mitte des nächsten Jahrzehnts erwartet die Großbank UBS, dass aufgrund weiterer Kostensenkungen und Effizienzzuwächse die Photovoltaik immer mehr Großkraftwerke weltweit ersetzen wird. Investoren sollten sich darauf vorbereiten, empfehlen die Schweizer.
Das Feld bietet also Chancen für kapitalkräftige Investoren aus der Industrie. Das gilt auch für Privatanleger, die sich die Kandidaten aber genau ansehen sollten. Die chinesische Yingli etwa schreibt immer noch Verluste und türmt dadurch immer neue Schulden auf. Auch die stets optimistische Solarworld ist trotz Schuldenschnitts in diesem Frühjahr längst nicht über den Berg.
Im jüngsten Quartalsbericht bezeichnet Vorstand Frank Asbeck die wirtschaftliche Situation als schwierig und die Risikolage als hoch. Der Q-Cells-Mutterkonzern Hanwha verwies auf den trotz hoher Nachfrage anhaltenden Preiskampf. "Die Industrie wird sich grundsätzlich mit geringeren Bruttomargen zufriedengeben müssen", sagt IHS-Analyst de Haan.
Eine Lizenz zum Gelddrucken wie zu Zeiten üppiger staatlicher Förderung hat die Branche nicht mehr. Doch die Rückkehr vieler Unternehmen in die schwarzen Zahlen ist eingeläutet.
http://www.finanzen.net/nachricht/aktien/...-des-Sonnensturms-3849457
|