Fünfjahresplan
Südafrika nimmt den Kampf gegen Aids endlich auf
Südafrikas Regierung hat ihre Aids-Politik radikal geändert. Ihr Fünfjahresplan zum Kampf gegen die Epidemie wurde im In- und Ausland sehr gelobt.
VON JOHANNES DIETERICH
"Das ist der Durchbruch", sagte der Sprecher der südafrikanischen Aktivistengruppe TAC, Nathan Geffen, der FR. Südafrikas Plan stelle den "weltweit mutigsten und umfassendsten Versuch dar, der Aids-Epidemie Herr zu werden", pflichtete der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes, Zwelenzima Vavi, bei. Selbst die Aids-Organisation der Vereinten Nationen (UN), die die Regierung in Pretoria vor einem halben Jahr angegriffen hatte, war beeindruckt. "Das ist ein Meilenstein", sagte Unaids-Koordinator Mbulawa Mugabe.
Aids-Epidemie
Mit 5,5 Millionen Infizierten hat Südafrika die höchste Zahl HIV-positiver Menschen in der Welt. Jeder fünfte Erwachsene ist infiziert. Täglich kommen 1500 dazu.
Antiretrovirale Medikamente erhalten knapp 250.000 Aidskranke. Nach Angaben einer Aktivistengruppe brauchen aber 800.000 die Aidscocktails. Täglich sterben rund 800 Menschen an Aids- Folgen. Zwei Millionen kamen bereits deswegen um. jod Der Aktionsplan sieht vor, dass bis in fünf Jahren 90 Prozent aller aidskranken Südafrikaner mit antiretroviralen Medikamenten versorgt werden sollen - bislang hatten sich sowohl Präsident Thabo Mbeki wie seine Gesundheitsministerin Manto Tschabalala-Msimang skeptisch zu den Aidscocktails geäußert.
Die Regierung will in den kommenden Jahren mehr als 1,5 Milliarden Euro in den Kampf gegen das HI-Virus stecken - die Zahl der Neuinfektionen soll in diesem Zeitraum halbiert werden. Außerdem soll der Einfluss des nationalen Aidsrates wachsen und alle Strategien überprüft werden.
Der sich schon seit Monaten anbahnende Kurswechsel wurde an jenem Tag aktenkundig, als sich die Gesundheitsministerin in einem Johannesburger Krankenhaus an der Leber operieren lassen musste. Die in der Sowjetunion ausgebildete Ärztin und der Präsident sind beim Thema Aids die prominentesten Gegner der Schulmedizin. Während Mbeki mit seinen Zweifeln an der Existenz des HI-Virus Aufsehen erregte, handelte sich Tschabalala-Msimang den Spitznamen "Dr. Rote Beete" ein. Sie fand Rote Beete, Knoblauch und Zitronen bei der Bekämpfung der Seuche effektiver als antiretrovirale Medikamente. Die Aidscocktails, die in der Fachwelt als einzige Möglichkeit gelten, eine HIV-Infektion einzudämmen, bezeichnete Tschbalala-Msimang als "Gift".
Der Streit um die verwirrende Aidspolitik der südafrikanischen Regierung erreichte während der Aidskonferenz in Toronto im August seinen Höhepunkt, als Aktivisten den mit Knoblauch und Rote Beete dekorierten Stand Südafrikas demolierten, Unaids-Chef Stephen Lewis der Ministerin "geisteskranke Nachlässigkeit" vorwarf und zahllose Experten aus dem In- und Ausland mit einer Unterschriftenkampagne ihren Rücktritt forderten.
Dazu rang sich Präsident Mbeki zwar nicht durch: Er nahm seine Ministerin aus der Schusslinie und installierte Vize-Präsidentin Phumzile Mlambo-Ngcuka als Frontfrau in Sachen Aids. Als Tschabalala-Msimang wenig später schwer erkrankte und deren Stellvertreterin Noziza Madlala-Routledge die Geschäfte übernahm, wurden neue Töne laut. Madlala-Routledge beschleunigte die Ausgabe antiretroviraler Medikamente, lobte die Aidsaktivistengruppe TAC und unterzog sich - als erstes Regierungsmitglied - einem Aidstest. Seitdem gilt die ehemalige Vize-Verteidigungsministerin nicht nur unter Südafrikas HIV-Infizierte als Jeanne d'Arc.
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