Jetzt brummt‘s wieder Vom Aufschwung wurden einige Rostocker Unternehmer regelrecht überrascht. Statt Kurzarbeit wird jetzt kräftig investiert — auch in neue Jobs. Rostock-Stadtmitte (OZ) - Der Wirtschaftsaufschwung ist in Rostock angekommen. Dafür ist die Erdbau- und Transport GmbH im Überseehafen ein gutes Beispiel. Noch Mitte 2009 hatte Inhaber André Voß pessimistisch in die geschäftliche Zukunft geblickt. Seine zwölf Bürokräfte hatte er damals gerade auf Kurzarbeit gesetzt und vermutete: „Wenn das Konjunkturprogramm 2010 ausläuft, wird‘s noch schlimmer.“ Doch schon im April dieses Jahres konnte die Firma, die 120 Mitarbeiter in der Logistikbranche und der Baustoffproduktion beschäftigt, die Kurzarbeit beenden — und expandieren. „Der Aufschwung hat uns auch ein bisschen überrascht“, sagt Geschäftsführer Ludger Grüßing (48). Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass „Deutschland mal die Lokomotive ist“. Aber dieser Ruck sei bis in die Hansestadt spürbar. Die Erdbau- und Transport GmbH habe „erheblich aufgerüstet“. Mit dem Einstieg in eine holländische Firma, die ein Schiff zur Kiesgewinnung betreibt. Mit Anträgen für neue Abbaustellen vor Wismar und Warnemünde. In Rostock entstanden 15 neue Jobs. Auch was 2011 angeht, ist Grüßing zuversichtlich. Das Auftragsvolumen sei „schon ordentlich“. Und der Geschäftsführer steht mit seiner positiven Geschäftsprognose nicht alleine da. Insgesamt profitierten die Logistiker in Rostock von zunehmenden Warenströmen, so die Einschätzung der Wirtschaftsförderer von Rostock Business. Der Hafen verzeichne steigende Umschlagzahlen, die Kreuzfahrtindustrie erwarte einen neuen Passagierrekord. Und das starke Wachstum der Offshore-Windenergie stärke maritime Zulieferer und Dienstleister. Nicht zuletzt der „breite Branchenmix von Zukunftsindustrien“ ermögliche es der Hansestadt, „die Folgen der Wirtschaftskrise zunehmend zu kompensieren“, so Rostock-Business-Geschäftsführer Christian Weiß. „Ganz anschaulich“ werde die wachsende Wirtschaftskraft am Standort auch im Überseehafen bei Liebherr, wo die neue Produktionshalle für den Kranhersteller entstehe, ergänzt Andreas Fieber, bei Rostock Business zuständig für die Akquise. Liebherr verbinde mit dem Ausbau in Rostock auch „die Perspektive, gemeinsam mit dem Standort zu wachsen“. Auch Nordex sei fest entschlossen „mit dem Markt weiter zu wachsen“, sagt Produktionsgeschäftsführer Bernhard Torliene. Die Auftragsbelebung im zweiten Halbjahr stimme ihn optimistisch, dass der Windkraftanlagenbauer das Geschäftsjahr mit dem angestrebten „leichten Umsatzplus“ abschließen könne. In den vergangenen sechs Wochen habe Nordex auch das Personal aufgestockt — zunächst mit mehr als 100 Zeitarbeitern. Mit der frisch eingebauten neuen Fertigungshalle und dem Ausbau der Hinrichsdorfer Straße im Bereich des Betriebsgeländes, sei das Unternehmen auf weiteres Wachstum vorbereitet. Eher verhalten blickt Manfred Müller-Fahrenholz, Geschäftsführer der Neptunwerft, in 2011. Noch sei die Auftragslage zwar „zufriedenstellend“, fürs kommende Jahr aber „noch nicht durchgehend gesichert“. Die weltweite Finanzkrise habe die Werften eben besonders hart getroffen, „die Akquisition ist viel härter und schwieriger geworden“. Wobei die Werft mit 434 Mitarbeitern natürlich ständig bemüht sei, neue Märkte und Kunden zu erschließen, betont Müller-Fahrenholz. „Ob das nun Versorgungsschiffe oder kleine Tankschiffe sind — wir sind offen für alles.“ Mitte 2010 hatte die Werft einen Auftrag für den Bau eines Flussschiffes für den Flussreisen-Anbieter Viking River Cruises an Land ziehen können. Noch nicht wirklich aussagekräftig zum Rostocker Aufschwung seien die Statistiken der Arbeitsagentur Rostock, sagt Sprecherin Grit Ehlers. „Die Zahlen für Kurzarbeit bekommen wir erst mit einem halben Jahr Verzögerung.“ Im Februar hätten demnach 333 Betriebe im Agenturbezirk 2671 Angestellte in Kurzarbeit beschäftigt. Die Neuanmeldungen für Kurzarbeit seien aber immerhin „signifikant zurückgegangen“, so Ehlers. Waren es im Juli 2009 noch 55, zeigten im vergangenen Juli nur noch neun Unternehmen entsprechende Pläne an. In die richtige Richtung zeige der Trend auch bei den offenen Stellen: 560 waren es im August allein für Rostock — fast 100 mehr als im Jahr zuvor. Volle Auftragsbücher: So viel Vorlauf wie noch nie Die Auftragsbücher sind voll, Glaser Ingo Fritz aus Brinckmansdorf hat einen Vorlauf von eineinhalb bis zwei Wochen — soviel wie noch noch nie. „Ich komme mit der Arbeit kaum hinterher“, sagt er. Glas ginge ständig kaputt und müsse schnell repariert werden. „Da kann man den Kunden nicht länger, als fünf bis sechs Tage warten lassen.“ Zu seiner Freude geht es in diesem Jahr wieder aufwärts. Wirtschaftlich gesehen fühlt er sich etwa um 20 Prozent besser, als im Vorjahr. Auch die verhaltene Wirtschaftslage des Winters sei längst wieder ausgeglichen. Zwar bedeutet das für ihn seine zwei Mitarbeiter viel mehr Arbeit am Tag, „aber dafür konnten wir im Winter auch alle eher nach Hause gehen.“ IBU Wer im Land bleibt, kann mitwachsen „Rostock ist eine wachsende Stadt“, sagt der Geschäftsführer der Dr. Diestel Metallbau Klimatechnik GmbH, Thomas Diestel. Das mittelständische Unternehmen ist auf dem Gelände der ehemaligen Neptunwerft angesiedelt und schreibt in diesem Jahr steigende Umsatzzahlen. Aufträge gibt es bereits bis Mitte 2011. „Einerseits sind wir über den Aufschwung erfreut“, sagt er. Doch es sei schwierig dem Wachstum personell standzuhalten. Es mangele an hochqualifizierten Fachkräften. „Wir müssen mehr denn je bemüht sein, das Potenzial an Personen noch besser auszuschöpfen.“ Mit seinem Unternehmen will er zeigen, dass es sich lohnt, im Land zu bleiben.
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