15. Mai 2006, Neue Zürcher Zeitung Israel schränkt Familienzusammenführung ein Das Oberste Gericht billigt ein umstrittenes Gesetz
Das höchste Gericht Israels hat am Sonntag mit knapper Mehrheit ein Gesetz gegen die Familienzusammenführung bei Ehen zwischen israelischen und palästinensischen Partnern gebilligt. Kritiker hatten das Gesetz als Verstoss gegen die Menschenrechte gebrandmarkt.
gsz. Jerusalem, 14. Mai
Das Oberste Gericht Israels hat am Sonntag ein Urteil gefällt, das von Rechtsexperten als einer der wichtigsten Entscheide der letzten Jahre bezeichnet wird. Das mit 11 Richtern besetzte Gremium entschied mit 6 gegen 5 Stimmen, dass Palästinenser, die Israeli - palästinensische oder jüdische - heiraten, nicht automatisch das Recht auf Niederlassung in Israel erhalten.
Sicherheitsrisiken Mit diesem Urteil billigte das Oberste Gericht ein Gesetz, das die Knesset vor vier Jahren für eine begrenzte Gültigkeitsdauer verabschiedet und seither wiederholt erneuert hatte. Linksgerichtete und arabische Abgeordnete sowie Menschenrechtsorganisationen waren gegen das Gesetz Sturm gelaufen. Sie erhoben gerichtlichen Einspruch. Ihrer Meinung nach verletzt das Gesetz die Menschenrechte der Betroffenen. An einer Sitzung des Obersten Gerichts im vergangenen Februar erklärte einer der Richter, dass die palästinensische Autonomiebehörde Israel feindlich gesinnt sei und dass palästinensische Bürger keinerlei Anrecht hätten, sich im jüdischen Staat niederzulassen. Obwohl die Einzelschicksale der Familien traurig stimmten, müsse Israel nicht Hand zur Lösung des Problems bieten, wenn dadurch gleichzeitig die Sicherheit der Bürger aufs Spiel gesetzt werde. Der Richter meinte, dass sich neuvermählte Paare eben in den palästinensischen Gebieten niederlassen sollten. In Israel ist die Ansicht weit verbreitet, Palästinenser wollten den jüdischen Staat mit demographischen «Mitteln» - durch Familienzusammenführung und grosse, kinderreiche Familien - besiegen.
Die Rechtsvertreter der Regierung pochten auf die Sicherheitsrisiken, welche durch die Bildung «einer fünften Kolonne» im Lande entstünden. Verglichen mit der durch den Terror hervorgerufenen Gefährdung hielten sich die Schwierigkeiten, die Bürgern durch das Verbot der Familienzusammenführung entstünden, in einem vertretbaren Rahmen. Der federführende Richter hielt in der Urteilsbegründung fest, dass jedes Land für die Sicherheit seiner Bürger sorgen müsse. Ein Kommentator wies darauf hin, dass ein grosser Teil der Terroranschläge von Palästinensern ausgeführt worden seien, die im Besitz israelischer Identitätspapiere gewesen seien.
Kein Ende der Kontroverse Der Richterspruch hat der Kontroverse um das umstrittene Gesetz wohl kein Ende gesetzt. Im Gegenteil, das Zufallsmehr dürfte sie noch mehr anheizen, insbesondere da einer der Richter seine Unterstützung für die Ansicht der Mehrheit von einer Gesetzesänderung in den nächsten neun Monaten abhängig machte.
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