wenn man jetzt Hurra brüllt?
Ohne Berlin: Bundesrat billigt endgültig EU-Vertrag
Foto: dpa Berlin (dpa) - Ohne die Stimme der Hauptstadt Berlin hat der Bundesrat den EU-Vertrag von Lissabon zur Reform der europäischen Institutionen abschließend gebilligt. Damit hat der Vertrag in Deutschland seine letzte parlamentarische Hürde genommen.
Jetzt muss er noch von Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnet werden, damit er in Kraft treten kann. Mehrere Gegner des Abkommens wollen das mit Verfassungsklagen verhindern. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüßte den Abschluss der parlamentarischen Beratungen.
Unter dem Druck der mitregierenden Linken entschied sich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Freitag in letzter Minute für eine Enthaltung. Damit vermied er eine Koalitionskrise im rot-roten Senat. Wowereit wurde wegen seines Nachgebens von der Union und der FDP scharf kritisiert. Die Linke lehnt den Lissabon-Vertrag als unsozial und militaristisch strikt ab. Der Berliner Koalitionsvertrag sieht in Streitfällen eine Enthaltung des Landes im Bundesrat vor.
Der Bundestag hatte das Abkommen im vergangenen Monat bereits mit fast 90 Prozent der Stimmen gebilligt. Als einzige Partei stimmte die Linke damals geschlossen dagegen. Die Europäische Union erhält mit dem Reformvertrag von Lissabon, der an die Stelle der ursprünglich geplanten Verfassung treten soll, zusätzliche Kompetenzen. Zugleich wird sie auf eine demokratischere Grundlage gestellt. Bisher haben 13 der insgesamt 27 EU-Staaten den Vertragstext rechtskräftig beschlossen. Er soll 2009 in Kraft treten.
Das will der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler mit einer Klage verhindern, die am Freitag beim Bundesverfassungsgericht einging. Gauweiler sieht im Vertrag eine Entmachtung der Abgeordneten. Auch die Ökologisch-Demokratische Partei (ödp) und Abgeordnete der Linken wollen klagen. Köhler hatte 2006 keine Unterschrift unter den später gescheiterten EU-Verfassungsvertrag gesetzt, weil Gauweiler und andere dagegen geklagt hatten. Er wollte das Karlsruher Urteil abwarten. Das hatte in der Koalition Unmut ausgelöst.
Wowereit überließ es seiner Justizsenatorin Gisela von der Aue (ebenfalls SPD), die Enthaltung auszusprechen. Diese wurde als Nein-Stimme gewertet. Er sagte anschließend: «Damit hat (Linke-Chef) Oskar Lafontaine selber den Beweis geliefert, dass die Linke nicht regierungsfähig und -willig ist.» CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nannte die Entscheidung des Berliner Senats beschämend. Wowereit habe «weder Prinzipien noch Rückgrat». «Die Öffnung der SPD zur Linkspartei erweist sich zunehmend als fataler Fehler».
Der Regierende Bürgermeister sagte nach der Abstimmung, die Mehrheit für den EU-Vertrag sei nicht von Berlin abhängig gewesen. «Dann hätte ich auch dafür Sorge getragen, dass Berlin mit Ja gestimmt hätte und zwar einheitlich - auch unter Inkaufnahme einer Koalitionskrise.» Für die Linke sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf: «Wir werden nicht von Herrn Lafontaine unter Druck gesetzt.» Die Linke sei für Europa, aber für ein soziales Europa.
SPD-Parteichef Kurt Beck lobte den EU-Vertrag als «Meilenstein in der Entwicklung der Europäischen Union». Die soziale Dimension der europäischen Integration werde deutlich aufgewertet, sagte der rheinland-pfälzische Regierungschef. Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) sagte im Bundesrat, die Bürger wollten keinen «europäischen Superstaat». Ein Antrag Bayerns, dass die EU kein Bundesstaat werden dürfe und die Mitgliedsländer die letzte Rechtskompetenz behalten müssten, fand keine Mehrheit.
Mit dem Grundvertrag erhält die EU 2009 einen Ratspräsidenten, der für zweieinhalb Jahre gewählt wird. Außerdem wird es einen gemeinsamen Verantwortlichen für die EU-Außenpolitik, häufigere Mehrheitsentscheidungen und die Möglichkeit eines Volksbegehrens geben.
Dpa, 23.05.2008
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