Eine neue Generation von Flugkörpern soll helfen, die militärische Dominanz der USA auszubauen Die USA wollen in den nächsten Jahren ihre Erstschlagsfähigkeit drastisch erweitern. Kriegsminister Donald Rumsfeld hat grünes Licht für die Entwicklung von Hyperschallwaffen gegeben. Die Initiative zielt klar auf den Ausbau militärischer Dominanz: Flugkörper mit vielfacher Schallgeschwindigkeit würden es der US-Luftwaffe ermöglichen, jedes Ziel in der Welt innerhalb von zwei Stunden anzugreifen. In einem ersten Schritt sollen in den nächsten Monaten für 9,4 Millionen Dollar Kosten- und Machbarkeitsstudien erstellt werden.
Die Fäden laufen bei der DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) im kalifornischen Anaheim zusammen, der zentralen Forschungsagentur des Pentagon. Deren Bedeutung beschreibt ein Bericht an den US-Senat vom Februar 2003 in aller Klarheit. Hauptaufgabe der DARPA ist es ihm zufolge, die technologische Überlegenheit (»technological superiority«) des eigenen Militärs aufrechtzuerhalten und frühzeitig technische Entwicklungen zu erkennen, die in der Lage sein könnten, die Sicherheit der USA zu bedrohen. Im vergangenen Jahr standen ihr dafür fast 2,7 Milliarden Dollar zur Verfügung, 20 Prozent mehr Mittel als 20. Auch der Name des aktuellen Projekts ist Programm: »Falcon« (Force Application and Launch from Continental U.S.). Wie Raubvögel sollen die neuen Waffen die jeweils zu definierenden Feinde der USA ? egal ob vermeintliche »Schurkenstaaten«, »Despoten« oder Exponenten eines »internationalen Terrorismus« ? in kürzester Zeit attackieren können.
Der Krieg gegen den Irak hat die Pentagon-Strategen geplagt: Die Verhandlungen um Überflugrechte oder die Nutzung von ausländischen Flugbasen gerieten ihnen zu langwierig. Sie wollen künftig nicht mehr auf Kooperationen dieser Art angewiesen sein. Auch ein Teil der US-Stützpunkte, die ein weltumspannendes Netz bilden, wird kritisch geprüft. Sie gelten als zu teuer und politisch brisant, da zunehmendem Protestdruck in den jeweiligen Ländern ausgesetzt. Mit der Möglichkeit, schnelle Luftangriffe vom Territorium der USA aus zu starten, wären solche Probleme ausgeräumt.
Die DARPA, die Rumsfeld direkt untersteht, hat zwölf Luft- und Raumfahrtunternehmen mit den Vorbereitungsstudien, Konzeptdesigns, Einsatz- und Testplänen beauftragt. Dazu gehören bekannte Rüstungskonzerne wie Lockheed Martin und Northrop Grumman.
In der eigentlichen Entwicklungsphase will man bis zum Jahr 2010 zunächst eine Hyperschall-Bombe mit neuartigem Trägersystem einsatzbereit haben. Diese Bombe, das »Common Aero Vehicle«, soll mit ihrem 450 Kilogramm schweren Sprengkopf bis zu 5 500 Kilometer entfernte Ziele vernichten können. Die Flugbombe wird dazu von einer ebenfalls neu zu entwickelnden Rakete in den Erdorbit geschossen. Den eigentlichen Zielanflug des Geschosses steuern anschließend Satelliten. Das Pentagon setzt in dieser Projektphase auf kostengünstige und schnelle Realisierbarkeit. Ein Start des neuen Trägersystems, das alternativ zu den Bomben auch kleine Satelliten in eine 450 Kilometer hohe Erdumlaufbahn transportieren soll, darf nicht mehr als fünf Millionen Dollar kosten.
Bis 2025 soll dann ein wiederverwendbares Hyperschallflugzeug fertig sein, das zehnfache Schallgeschwindigkeit erreicht und das eigentliche Ziel des »Falcon«-Programms darstellt. Dieses unbemannte »Hypersonic Cruise Vehicle« (HCV) kann ? so die Ausschreibung ? von einem normalen Militärflugplatz starten und in weniger als zwei Stunden jedes Ziel in einem Radius von 16 700 Kilometern erreichen.
Experten sehen die Entwicklung der Hyperschallflugkörper indes kritisch. Das Pentagon läßt schon seit Jahren mit Raketen und Flugzeugen experimentieren, die mehr als das Fünffache der Schallgeschwindigkeit erreichen. Die Bemühungen waren bislang erfolglos, nur der Test einer einzigen Hyperschallrakete glückte im Sommer 2002. Schon im Juni 2001 stürzte hingegen das Experimentalflugzeug X-43 A der NASA ab, das mit siebenfacher Schallgeschwindigkeit fliegen sollte. Ebenso erging es den Entwicklungen anderer Staaten, etwa einem australischen Hyperschalljet, an dessen Bau sich auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt beteiligt hatte.
Vor allem die hohe Geschwindigkeit selbst birgt Probleme. Der Luftwiderstand ist bei einem solchen Flug so hoch, daß die Flugkörper aus äußerst hitzebeständigen Materialien bestehen müssen. Oberhalb der Erdatmosphäre würde statt dessen der Sauerstoff fehlen, den konventionelle Triebwerke brauchen, um ihren Treibstoff zu verbrennen. Beides müssen die Ingenieure der DARPA-Partner lösen.
Werden die Hyperschallwaffen gebaut, stellen sie ein gehöriges Bedrohungspotential dar. Sie würden nicht nur die Vorwarnzeit für Angriffe erheblich herabsetzen, sondern wären wegen ihrer hohen Geschwindigkeit und vergleichsweise geringen Ausmaße mit Abwehrwaffen nur schwer zu bekämpfen. Ihre Vernichtungskraft wäre enorm: Nur mit einem Titanmantel ohne Sprengstoff ausgestattet, würde die aus dem Erdorbit herabstürzende Bombe allein aufgrund ihrer hohen kinetischen Energie eine Betondecke von 20 Metern Dicke durchschlagen. Wahrscheinlich ist jedoch, daß zumindest ein Teil Kernsprengköpfe tragen wird. Kritische Analytiker sehen es nicht als Zufall, daß die Bush-Administration die Entwicklung von Kernwaffen vorantreibt, während ihr nahestehende rechte Denkfabriken fordern, deren Einsatz zum Normalfall in kommenden Kriegen zu machen.
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